Der verkaufte Tod
helfen! Shakir wird beteuern, das Dach sei ein Ersatz für das ihm zustehende Schmerzensgeld. Da kannst du gar nichts machen! Jeder Richter wird Shakir recht geben. Du bist der dämlichste Mensch, den ich kenne, Tawan.« Er lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück. »Was mich nicht abhält, bei Shakir meine zehn Prozent vom Hospital-Geld zu kassieren. Hoffentlich ist er klüger als du, sonst brennt sein Dach in den nächsten Tagen ab.« Er erhob sich hinter seinem riesigen Schreibtisch. »Wann sehen wir uns wieder?« Er lachte. »Fast hätte ich gesagt: ›Sir.‹«
Tawan lächelte schwach zurück. »Ich hätte nichts dagegen, Sir.«
»Frech warst du schon immer, aber von einer angenehmen Frechheit. Ich mag dich.« Dakhin kam um den Tisch herum, stieß Tawan freundschaftlich gegen die Brust und brachte ihn bis an die Tür. »Ich werde ja jetzt durch die Anzeigen laufend von deinen Tätigkeiten im Flughafen informiert werden. Laß dich nicht schnappen, Tawan, denn dann kann ich wirklich nichts mehr für dich tun. Dann bist du ein öffentlicher Fall. Also – viel Glück.«
»Du bist wirklich ein Freund, Sundra«, sagte Tawan ergriffen.
»Nein, dein heimlicher Partner. Nutze das nicht aus – es wird dir keiner glauben. Ich verkehre jetzt im Haus des Oberstaatsanwalts.« Es war eine deutliche Warnung, aber eiskalt wurde sie, als Dakhin fortfuhr: »In Kalkutta verschwinden täglich Hunderte von Menschen und tauchen nie wieder auf. Ich möchte nicht, daß du eines Tages auch darunter bist.«
Tawan verstand, setzte seinen Strohhut auf und verließ das Zimmer wieder als ein vornehmer, unnahbarer Mann. Der Polizist am Eingang grüßte ihn, als sei er ein hoher Offizier in Zivil.
Auf der Straße überlegte Tawan, wie er den Nachmittag beenden konnte. Der Besuch bei Dakhin war ein Erfolg gewesen, den man eigentlich feiern sollte. Ein Dieb, der von der Polizei beschützt wird, das ist wahrlich eine Ausnahme, die vielleicht nur in Kalkutta möglich ist.
Tawan beschloß, im Nanking Chinese Restaurant in der Tiretta Bazar Street einen gebackenen Fisch zu essen und dazu das gute Tsingtao-Bier zu trinken, Chinas bestes Bier, das viel besser schmeckt als die Biere aus England und vor allem die indischen. Vorher aber wollte er noch einen Umweg zur Klinik von Dr. Banda machen und Dr. Kasba besuchen.
Die Pfortenschwester behandelte ihn mit größter Höflichkeit. Sie erkannte Tawan nicht wieder, hielt ihn für einen reichen Mann und sagte ihm bereitwillig die Nummer von Dr. Kasbas Zimmer.
Tawan fuhr mit dem Lift in den zweiten Stock und wünschte sich, jetzt Randa und Dupur, den rabiaten Krankenpflegern, zu begegnen, aber er sah sie nicht. Er klopfte an Dr. Kasbas Tür und trat ein.
Dr. Kasba saß in einem Pettigrohrsessel am Fenster, las in einer Illustrierten und blickte erstaunt auf, als der elegante Herr eintrat. Er sprang auf, wollte etwas sagen und erkannte auf den zweiten Blick Tawan Alipur. »Du?« rief er aus und dann, die neue Lage berücksichtigend: »Verzeihung, Mr. Alipur! Welche Freude, Sie wiederzusehen! Oder ist es keine Freude? Haben Sie Beschwerden?«
»Bleiben Sie bei dem Du, Dr. Kasba, bitte. Beschwerden? Nein. Mir geht es gut, sehr gut sogar. Ich merke nichts mehr von der Operation. Ich wollte Sie nur besuchen und Ihnen danken.«
»Nimm Platz.« Dr. Kasba zeigte auf einen Sessel. »Danken? Wofür? Dr. Banda hat dich operiert.«
»Sie haben mir einen Rat gegeben, und den habe ich befolgt. Ich bin in kurzer Zeit ein Mann mit einem Bankkonto geworden.«
»Man sieht es. Du bist kaum wiederzuerkennen. Du machst gute Geschäfte? Mit was?«
»Ich bin der beste aller Taschendiebe geworden. Bald habe ich das Kapital für ein Geschäft zusammen. Es war Ihr Rat, Dr. Kasba.«
Der Arzt schwieg. Ich habe einen Kriminellen aus ihm gemacht, dachte er. Aber eigentlich war er das ja immer. Ich habe nicht gewollt, daß er meinen Scherz ernst nimmt. Ich hatte mich nur daran erinnert, daß ich auch aus den Slums komme, und mich gefragt, was ich tun würde, wenn ich an seiner Stelle wäre. Er hob schnuppernd die Nase und blickte Tawan ins Gesicht. »Du hast getrunken?«
»Ja, zwei Biere. Aus China.«
»O Gott, die wünsche ich mir jetzt auch.« Er setzte sich Tawan gegenüber. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Nein. Ich wollte Sie nur wiedersehen. Sie waren der erste Mensch, der mich gut behandelt hat. Für alle anderen war ich so viel wert wie eine Ratte. Sie haben mir die Kraft gegeben zu sagen: Ich bin ein
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