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Der verletzte Mensch (German Edition)

Der verletzte Mensch (German Edition)

Titel: Der verletzte Mensch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Salcher
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deutet jedoch nicht nur an, dass die Freude stärker geworden ist. Sie hat auch die ursprüngliche Trennung zwischen der Geberin und dem Empfänger aufgelöst. Wer kann im abschließenden Kuss der Dankbarkeit noch zwischen Geber und Empfänger unterscheiden? Eine Eskalation zum Guten hat stattgefunden. [11]
    Die Urquellen der Grausamkeit
    Leider gibt es auch die Eskalation ins Böse. Statistiken zeigen, dass ein hoher Prozentsatz der Insassen von Gefängnissen selbst in ihrer Kindheit misshandelt wurde. Das erklärt auch die scheinbare Gefühllosigkeit, mit der Täter zu grausamsten Handlungen gegenüber ihren Opfern fähig sind. Was kann ein Kind machen, wenn es mit seiner panischen Angst, der ohnmächtigen Wut und dem Schmerz völlig allein gelassen wird? Es darf nicht einmal weinen, geschweige denn schreien, die einzige Möglichkeit, diese Gefühle loszuwerden, ist, sie zu verdrängen. Diese Verdrängung hilft zwar im Augenblick, aber der Preis muss später bezahlt werden. Denn die Wut lebt weiter und wird dann auf Kosten von anderen Wehrlosen entladen. Die einstigen Opfer führen dann die schmerzhaften Situationen, denen sie selbst als Kinder ausgesetzt waren, wieder auf. Diesmal allerdings mit vertauschten Rollen. Jetzt sind sie die Täter, die ihre dunkle Vergangenheit aufarbeiten, indem sie die Gefühle der Ohnmacht und des Leidens bei ihren Opfern nochmals erleben. [12]
    Die Analyse der Kindheit von Verbrechern soll nicht Mitleid für sie wecken, sondern zeigen, dass es Gesetzmäßigkeiten gibt, die aus unschuldigen Kindern später erbarmungslose Peiniger machen. So sagt der langjährige FBI-Spezialist John Douglas, dass seine Recherchen ergaben, dass praktisch alle amerikanischen Serienmörder aus kaputten sozialen und familiären Verhältnissen stammen, die durch Misshandlungen, sexuellen Missbrauch, Drogen oder Alkoholismus charakterisiert waren. [13] Der dunkle Keller ist nicht nur das Symbol des Bösen, sondern auch oft der Tatort der wenigen großen und der vielen kleinen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
    Österreich – Land der Keller, Deutschland – Land der Kannibalen
    War es in der Nachkriegszeit das Wiener Kanalisationssystem, das durch den Film „Der dritte Mann“ von Orson Wells zeitweise zur zweitwichtigsten Wiener Touristenattraktion für Amerikaner wurde, sind es heute die Keller, die Österreich ungewollte Aufmerksamkeit in der Welt verschafft haben. Der Briefbombenattentäter Franz Fuchs verbrachte den Großteil der letzten Jahre seines Lebens in einem Anbau an das elterliche Haus, der dann nach der Ergreifung des Bewohners als der „Fuchsbau“ bekannt wurde. Dort fertigte Fuchs seine technisch perfekten Todesfallen, mit denen er im Namen einer fiktiven „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ den „Kampf gegen die Überfremdung aufnahm“. Die Fälle Natascha Kampusch und Elisabeth Fritzl sowie deren Peiniger Wolfgang Priklopil und Josef Fritzl haben Österreichs Ruf als Land mit einem überproportionalen Bevölkerungsanteil von persönlichkeitsgestörten Sonderlingen weiter gefestigt. Dass Josef Fritzl den Keller, in dem er seine eigene Tochter jahrelang gefangen gehalten, vergewaltigt und Kinder mit ihr gezeugt hatte, noch aus dem Gefängnis heraus als Touristenattraktion vermarkten wollte, zeigt, dass der Irrsinn keine Grenzen kennt. Kein Wunder, dass Sigmund Freud gerade in Österreich groß wurde, meinen Zyniker.
    Doch Deutschland kann durchaus mithalten bei den kranken Seelen, wie der Fall des „Kannibalen von Rotenburg“ gezeigt hat. Die Tat wurde von Armin Meiwes in einem viereinhalbstündigen Video dokumentiert. Einige Ermittler mussten wegen des Grauens der Tat psychotherapeutisch betreut werden. Auf die Frage des Gutachters vor Gericht, was denn der Kick für ihn während der Verspeisung seines Opfers war, antwortete Meiwes: „Man kann es vergleichen, als wenn jemand sein Leben lang den Wunsch hat, einen Ferrari zu fahren, und dann irgendwann die Gelegenheit dazu hat.“ Mindestens so erschreckend wie die Tat selbst erscheint die Tatsache, dass sich auf die Anzeige von Armin Meiwes mit dem Angebot, sich verspeisen zu lassen, 80 (!) Menschen gemeldet hatten.
    Die Analyse der oben zitierten Fälle soll anderen überlassen werden, doch woran ich nicht vorbei kann, ist der Versuch, ein bisschen Licht in unsere Keller zu bringen.
    Der Kohlenkeller als Erziehungsmittel
    Der Grundschullehrerin Beate H. wurden vier Kinder aus einem Kinderheim in ihre Klasse zugewiesen. Beate H.

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