Der verletzte Mensch (German Edition)
es, wenn ich erkenne, dass es im Augenblick zwar sicher unangenehm, aber erträglich ist, sonst wäre ich ja nicht mehr da. Und dann wird es sofort besser.“
Drei Werte, die Bruder David Kinder in einer „Schule des Herzens“ lehren würde, um sie auf die Herausforderungen des Lebens vorzubereiten
Furchtlosigkeit: Angst ist die innere Verengung, die unser kleines Ego erlebt, weil wir uns vom Ganzen getrennt fühlen. Die scheinbare Abgeschlossenheit unseres Körpers verführt uns zu dem Irrglauben, dass wir kleine isolierte Einzeller sind, und daher müssen wir uns fürchten. Angst verschließt unser Herz und verengt unser Denken. Furchtlosigkeit öffnet unser Herz und erweitert unser Denken.
Dankbarkeit: Man kann nicht in der Vergangenheit oder für die Zukunft dankbar sein. Nur im Augenblick sind wir immer unser wahres Selbst. Dankbarkeit ist der Schlüssel zur Lebensfreude. Wir halten diesen Schlüssel in unseren eigenen Händen. Jeden Tag wird uns eine Vielzahl von Gelegenheiten geschenkt, uns zu freuen. Es fragt sich nur, ob wir diese vielen Gelegenheiten überhaupt wahrnehmen? Meistens wohl nicht. Der Grund ist ganz einfach. An schlechten Tagen stehen unsere Schwierigkeiten so im Vordergrund, dass wir alles andere übersehen. Und an den guten Tagen nehmen wir alles ganz undankbar als selbstverständlich hin. Deshalb ist ein Mensch, der nicht von Herzen dankbar sein kann, ein beklagenswertes Geschöpf. Wir können Kinder von klein auf lehren, dankbar für die vielen Dinge zu sein, die sie jeden Tag mit ihrer Neugier entdecken. Das Schöne ist, dass die Freude, die wir durch Dankbarkeit ausdrücken, wieder zur Quelle – also zu uns selbst – zurückfließt.
Mitgefühl: Wenn Kinder gerade eine Verletzung erlitten haben, dann geht es weniger darum, die richtigen Worte zu finden, sondern um das Zuhören und das Mitfühlen. Meist helfen die einfachen Dinge, wie sie zu umarmen oder mit ihnen spazieren zu gehen. Mitgefühl zu zeigen heißt vor allem, sich ganz auf den anderen einzulassen. Dazu gehört auch die Zartheit. Das ist die Verbindung von Kraft und Verwundbarkeit. Das verlangt die innere Stärke, dass wir den Mut haben, uns verwundbar zu machen. Je früher Menschen lernen, ihre eigene Person von der erlittenen Kränkung trennen zu können, umso offener werden sie durch das Leben gehen. Denn nur ein verwundbares Herz kann ein mitfühlendes Herz sein.
„Liebe kann man lernen. Und niemand lernt besser als Kinder. Wenn Kinder ohne Liebe aufwachsen, darf man sich nicht wundern, wenn sie selber lieblos werden.“
Astrid Lindgren, schwedische Kinderbuchautorin („Pippi Langstrumpf“)
Am Anfang war die Angst
Wie sehr die ersten Verletzungen unser Leben prägen
„Wenn ich alle die Gefühle und ihren qualvollen Widerstreit auf ein Grundgefühl zurückführen und mit einem einzigen Namen bezeichnen sollte, so wüßte ich kein anderes Wort als: Angst. Angst war es, Angst und Unsicherheit, was ich in allen jenen Stunden des gestörten Kinderglücks empfand: Angst vor Strafe, Angst vor dem eigenen Gewissen, Angst vor Regungen meiner Seele, die ich als verboten und verbrecherisch empfand.“ [8]
Hermann Hesse über seine Kindheit
Das Menschenkind ist nach der Geburt ein allein nicht lebensfähiges Bündel von Bedürfnissen. Es ist völlig abhängig von einer Mutter, die es nährt, den Durst stillt und ihm vor allem Wärme und Liebe gibt. Die elektrische Wärme menschlicher Brutkästen stellt nur einen zum Überleben notwendigen Ersatz dafür dar, jede Berührung mit kalten Instrumenten kann Folter sein. Das Schreien bildet die einzige Möglichkeit für ein Baby, seinen Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen. Werden diese Schreie nicht als die dahinterliegenden Ängste vor dem Verhungern, davor, allein gelassen zu werden, oder dem Liebesentzug der geliebten Mutter ernst genommen, dann bleibt dem Baby als einzige Überlebensstrategie die Verdrängung dieses Schmerzes, die zu einer Verstümmelung der eigenen Seele wird. Es stirbt etwas ab: die Fähigkeit, zu fühlen und zu empfinden.
Die Psychoanalytikern Alice Miller hat mit ihrem Buch „Das Drama des begabten Kindes“ das Tabu des seelischen und körperlichen Missbrauchs von Kindern durch ihre Eltern enthüllt. Sie ist überzeugt: Wer schon als Kind die Fähigkeit, zu fühlen, nicht richtig entwickeln konnte, wird später nicht in der Lage sein, den eigenen Kindern jene Liebe und Geborgenheit zu geben, die diese brauchen. „Eltern, die niemals Liebe
Weitere Kostenlose Bücher