Der verletzte Mensch (German Edition)
alles ist nicht die Handlung eines Zukunftsthrillers, sondern fand im November 2008 in Florida tatsächlich statt.
„In Zukunft kann jeder Mensch für 15 Minuten Berühmtheit erlangen“ – so hatte das der Pop-Art-Künstler Andy Warhol wohl nicht gemeint.
Die Bedeutung des Urvertrauens
Nach Erkenntnissen des Kinderpsychologen Erik H. Erikson erwirbt ein Kleinkind in den ersten drei Lebensjahren ein Grundgefühl, welchen Situationen und Menschen es vertrauen kann und welchen nicht. Es ist damit also kein ‚blindes‘ Vertrauen oder Misstrauen mehr. Vielmehr erlaubt es dem Menschen, seine Umwelt differenziert wahrzunehmen und zu beurteilen. Entscheidend für die Bildung dieses Urvertrauens sind die unmittelbaren Bezugspersonen, also die Eltern, primär die Mutter nach der Geburt.
Der Neurologe und Psychiater Boris Cyrulnik und andere französische Forscher haben die Gehirne von Kindern aus den berüchtigten rumänischen Waisenhäusern mit Computertomografen untersucht und dabei herausgefunden, dass diese richtige „Löcher“ in ihrem Gehirn aufwiesen, die auf die emotionale Vernachlässigung zurückzuführen waren. Diese Kinder wurden danach in sehr gute Patenfamilien gebracht und die Untersuchungen nach einem Jahr wiederholt. Das Ergebnis: Die Löcher im Gehirn waren verschwunden. Das zeigt, dass der Versuch, jedem Menschen trotz schwierigster Startbedingungen seine Chance zu geben, keine intellektuelle Weltverbesserungsschwärmerei ist, sondern dass man psychische Verletzungen nachweisbar heilen kann.
Es gibt das geschändete, einsame Kind, das nur ein Kelch für den Schmerz der Welt ist. Am anderen Ende des Koordinatensystems des Schicksals steht das Sonnenkind, das von klein auf Liebe erfahren hat und mit einem optimistischen Gemüt geboren wurde. Mehrheitlich werden Menschen irgendwo dazwischen hineingeworfen. Sie haben eine Last zu tragen, aber sie verfügen auch über die Möglichkeit, ihr Leben selbst zu beeinflussen. Der Glaube an den freien Willen ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Die Entscheidung, selbst Verantwortung für unser Leben zu übernehmen, kann uns niemand abnehmen.
Die größte Herausforderung des Lebens
„Die Menschen werden als Prinzen und Prinzessinnen geboren, bis ihre Eltern sie in Frösche verwandeln.“
Eric Berne,
Begründer der Transaktionsanalyse
Kinder in die Welt zu setzen ist das wahrscheinlich größte Abenteuer, auf das sich Menschen einlassen können. Nichts verändert das gewohnte Leben vom ersten Augenblick an so massiv und nachhaltig. Mütter und Väter sind ungemeinen Turbulenzen und Stress ausgesetzt. Dazu kommen Schlafmangel und die Zurückstellung eigener Wünsche. All das erschöpft Eltern von Neugeborenen, verunsichert sie und stellt ihre Beziehung auf eine Belastungsprobe. Familientherapeuten berichten, dass das zweite Kind oft sogar noch eine größere Herausforderung als das erste ist. Alle Eltern, die nicht völlig jede Ehrlichkeit gegenüber sich selbst verloren haben, werden zugeben, wie schwer es ihnen manchmal fällt, bestimmte negative Seiten ihrer Kinder zu tolerieren, ohne die Nerven zu verlieren. Ein Kind ist folgenden Gefahren ausgesetzt:
• Das Kind erlebt zu wenig emotionale Zuwendung, Liebe und Zärtlichkeit. Es kann sich der Bindung zu den Eltern nie sicher sein.
• Das Kind wird körperlich oder seelisch missbraucht und dadurch traumatisiert – oft von Eltern, denen das selbst in ihrer Kindheit widerfahren ist.
• Das Kind wächst in einer behüteten Scheinwelt auf, in der es ständig verwöhnt wird und ihm keine Grenzen gesetzt werden.
Auf der Plusseite ist die Erziehung von Kindern das wohl sinnvollste Projekt, das sich ein Mensch in seinem Leben vornehmen kann. Die kurzfristige Belastung wird langfristig durch Zufriedenheit und die Chance, vieles im Leben nochmals aus einer anderen Perspektive erleben zu dürfen, mehr als ausgeglichen. Das Leben erhält Sinn allein durch die Tatsache, dass man über den eigenen Tod hinaus eine Spur hinterlassen wird.
Besonders groß wird die Belastung, wenn das von vielen Eltern befürchtete schlimmste Szenario eintritt und sie ein behindertes Kind bekommen. Laura A. King, Psychologin an der University of Missouri, hat die Eltern von Kindern mit Down-Syndrom untersucht. Sie stellte fest, dass jene Eltern, die die höchsten Werte in ihrer Lebenszufriedenheit erreicht hatten, sich eingestanden, dass durch die Geburt eines behinderten Kindes ihr Leben nicht so gelaufen war,
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