Der verletzte Mensch (German Edition)
über eine Schotterpiste geschleift werden“. Anwälte sind für ihn Menschen, „die nicht schlau genug waren, um Ärzte oder Ingenieure zu werden“. Dazu mischt er Expertenmeinungen über die psychologischen Folgen, wenn ein Elternteil durch die Ausgrenzung des anderen von seinem Kind entfremdet wird, oder den Bericht einer Frau, die den Feminismus für die Schieflage beim Sorgerecht verantwortlich macht. Baldwin sagt, er habe sein Buch für andere Geschiedene geschrieben, vor allem aber verarbeitet er seine eigene Geschichte mit Kim Basinger, von der er 2002 geschieden wurde. In einem Interview, das er kürzlich dem Magazin „The New Yorker“ gab, sagte er: „Ich laufe komisch? Das liegt daran, dass mir eine 60 Kilo schwere Schauspielerin im Nacken sitzt.“ Weder Basinger noch ihre Anwälte haben bisher darauf reagiert.
Das Buch stürmte kurzfristig auf Platz vier der „New York Times“-Bestsellerliste, was offenkundig nicht nur an den saftigen Details der Schlammschlacht mit seiner Exfrau lag, sondern weil das Thema vielen Geschiedenen unter den Fingern brennt. Die harte Form der Sorgerechtsregelung trifft meistens die Männer. Der prominente Anwalt Jeffery M. Leving aus Chicago beschreibt es so: „Väter beantragen immer häufiger das Sorgerecht für ihre Kinder, da auch sie ein Vollzeit-Elternteil sein wollen. Aber es ist immer noch schwer für sie, das Sorgerecht wirklich zu bekommen.“ Dieser Satz trifft nicht nur auf prominente Schauspieler in Amerika zu. In keiner anderen Disziplin ist es für Normalbürger so leicht, den Hollywoodstars nachzueifern wie bei den Schlachten um die gemeinsamen Kinder.
Ausnahmezustand und Kriegsrecht
In der MDR-Fernseh-Reportage mit dem Titel „Kampf ums Kind“ sind die Sanders das einzige Paar, wo beide Partner bereit sind, vor der Kamera zu sprechen. In ihren Worten ist vor allem der „Kampf“ besonders zu spüren. Da redet Klaus Sander vom „Ausnahmezustand“, Andrea Sander spricht von „panischer Angst“ und dass sie „zurückschlagen“ würde. Die Sanders zogen und ziehen in ihrem dreijährigen Scheidungskrieg alle Register, angefangen von einer Anzeige des Vaters gegen die Mutter wegen Kindesmisshandlung über Beleidigungen, ein Klagemarathon bis hin zu Tätlichkeiten.
Ohnmächtig und hilflos fühlen sich auch Andreas Schran und seine Lebensgefährtin Jana Henn, als plötzlich die Kripo vor ihrer Tür steht, alle Videos beschlagnahmt und beide zum Verhör mitnimmt. Der Vorwurf: sexueller Missbrauch an beiden bei der Mutter lebenden Söhnen Schrans. Eineinhalb Jahre sieht Andreas Schran die Kinder nicht, bis sich schließlich alle Vorwürfe in Luft auflösen. Zwar trifft sich das Paar jetzt wieder mit seinem älteren Sohn, doch: „Es ist nichts mehr wie früher.“
Als Motive, das eigene Kind zur Streitsache vor Gericht zu machen, hat Christoph Strecker, Vorsitzender Richter am Stuttgarter Familiengericht, Phänomene ausgemacht, die mehr mit den Eltern als mit den Kindern zu tun haben. „Da geht es um Trauerarbeit, um Abschiednehmen. Es geht darum, mit einer neuen Lebenssituation ohne den Partner klarzukommen. Es geht um Schuldgefühle und auch ums Geld.“ Es gebe Mütter, sagt Strecker, „die ihr Kind als Geisel halten“, Väter, denen „das tägliche Kind eine Last ist“, Elternteile, die über das Kind den Einfluss auf den Partner aufrechterhalten wollen. Es geht um Besitzdenken: „Das Habenwollen erscheint in der Figur des Kindeswohles.“ Nicht zuletzt geht es um die Identität durch die gesellschaftliche wie soziale Rolle als Mutter oder Vater: „Es ist gut für das Ego, gebraucht zu werden.“
Ganz besonders schlimm wird es, wenn der Kampf ums Kind sich zum grenzüberschreitenden Konflikt ausweitet, weil einer der beiden Elternteile mit dem Kind in ein anderes Land flüchtet. Dies kommt zum Beispiel dann vor, wenn die Eltern aus unterschiedlichen Staaten stammen. Dann wird der Flüchtige wegen Kindesentführung bei der Polizei angezeigt und internationale Gerichtshöfe werden eingeschaltet, die über die Existenz der Betroffenen entscheiden. Für die Kinder sind die Auswirkungen meist verheerend.
Waffenlieferungen ins Krisengebiet
Wenn so vieles auf dem Spiel steht, sind die Kontrahenten bei der Wahl der Waffen nicht zimperlich. Ämter werden angegangen, Richter, Beratungsstellen. Die Integrität des Gegners wird, in all ihren Facetten, in Frage gestellt. Da wird schon mal beim Jugendamt der vormalige Ehemann nicht nur des
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