Der verletzte Mensch (German Edition)
gesellschaftlichen Verständnis, dass allein erziehende Männer nichts taugen. Der Zusammenhang zwischen Vaterschaft und Männerbild ist noch weitgehend ungeklärt und pendelt zwischen dem „abwesenden Ernährer“ und dem „neuen Vater“, der die Verantwortung und die Erziehungsarbeit aus seinem eigenen Selbstverständnis heraus mit der Mutter teilt.
Eine Studie über allein erziehende Väter, die mit zwei bis drei Prozent nach wie vor zu den Exoten zählen, zeigt zwei Ergebnisse: Auslöser für die Rolle des allein erziehenden Vaters ist quasi immer eine freiwillig auf ihr Sorgerecht verzichtende oder aus anderen Gründen fehlende Mutter. Und zweitens, allein erziehende Väter sind der Erziehungsfunktion durchaus gewachsen, erfüllen sie nur anders. Männer delegieren mehr organisatorische Dinge, sind aber als emotionale Bezugspersonen für ihre Kinder genauso vorhanden. Die Studie zeigt auch, dass es für Väter sehr schwer ist, das Sorgerecht für das Kind zu erreichen, wenn sich die Kindesmutter diesem Wunsch widersetzt. [29]
Was heißt denn da Kindeswohl?
Für die Rechtsprechung steht selbstverständlich das Kindeswohl an erster Stelle. Ein ganz entscheidendes Kriterium dafür sind der geregelte Haushalt und die ständige Betreuung. Da Männer im Gegensatz zu Frauen fast immer ganztägig beschäftigt sind, wird automatisch angenommen, dass sie sich nicht um ihre Kinder kümmern können. Andererseits muss man auch klar festhalten, dass die Gruppe der Männer, die Kindererziehung als ganz wesentlichen Teil ihres Lebens sehen, nach wie vor sehr klein ist. Gerade sie fallen aber im derzeitigen System oft um ihr Recht um. Männer akzeptieren auch fast automatisch, dass sie bei der Trennung die Kinder verlieren.
Ab dem zehnten Lebensjahr fangen die Richter an, die Kinder in die Entscheidung einzubeziehen. Das erhöht natürlich die Chancen der Väter, schafft aber oft neue Ungerechtigkeiten, weil das Kind dann vor die Zerreißprobe gestellt wird, sich für die notwendigerweise strengere Mutter, die oft Nein sagen muss, oder den Wochenendvater, der ihm alles erlaubt und ständig Geschenke macht, entscheiden zu müssen.
Viele Männer fliehen auch aus ihrer Verantwortung und lassen die Frau allein, wie im Fall einer Familie mit zwei Kindern im Alter von vier und sechs Jahren. Der Vater sagt seiner Frau eines Tages, er habe jetzt eigentlich keine Lust mehr auf Familie, er wolle sich trennen und ein neues Leben für sich beginnen. Er sei natürlich bereit, weiter für die Kinder zu zahlen. Auch dass schwangere Mütter von den Vätern einfach sitzen gelassen werden und die Mütter in demütigenden Vaterschaftsprozessen ihre Alimente durchsetzen müssen, passiert leider noch immer viel zu häufig.
Langfristige familiäre Verantwortung wird von immer mehr Kindern überhaupt nicht mehr erlebt. Wenn Kinder nur Teil der Gesamtinszenierung des eigenen Lebens werden, die einfach dazugehören, die man aber jederzeit für neue Lebensziele bereit ist zu opfern, wird es sehr eng für die nächste Generation. Dass in der überwiegenden Mehrzahl von Trennungen die alleinige Last der Kindererziehung von den Frauen getragen wird, ist völlig unzweifelhaft. Je weniger Geld es zu verteilen gibt, umso unbarmherziger wird es für die allein erziehende Frau.
Mir sei an dieser Stelle die persönliche Bemerkung gestattet, dass mich meine Mutter ab meinem zwölften Lebensjahr allein erzogen hat, für die Schulden eines Konkurses aus dem Betrieb meines Vaters haftete und der Gerichtsvollzieher einige Zeit lang ein wohlbekanntes Mitglied unseres Haushalts war. Meine Großmutter wurde von ihrem Mann wegen einer anderen verlassen und sie musste meine Mutter in den Kriegsjahren und anschließend in den schwierigen Jahren des Nachkriegswien in der russischen Besatzungszeit durchbringen. Mein Großvater war in den vielen liebevollen Gesprächen mit meiner Großmutter das einzige absolute Tabuthema. Ich glaube daher zu wissen, wovon ich schreibe.
In der Mehrzahl der Fälle bedeutet Trennung für die Frau, die zur allein erziehenden Mutter wird, einen sozialen Abstieg. Hat sie vorher im oberen Segment gelebt, dann heißt das nun, aus einer großen Wohnung im Grünen in eine kleinere in einem schlechteren Viertel umzuziehen. Wenn man aber vorher in der Genossenschaftswohnung, die zur Hälfte noch nicht abbezahlt war, gelebt hat, kann sich die Frau diese, selbst wenn sie ihr zugesprochen wird, nicht länger leisten.
Unsere Gesellschaft muss
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