Der verletzte Mensch (German Edition)
einen natürlich mehr von Frauen und wissen, wo sie sie treffen können. Männer sind da meistens harmloser. Frauen können sehr perfide sein … Ein Mann kann frontal angreifen. Bei Frauen geht es immer hintenrum.“ [26]
Frauen dulden sehr, sehr lange, um dann in der Art ihres Angriffs hoch effektiv zu sein. Ihre Waffen sind viel verdeckter als bei Männern, aber trotzdem sehr wirksam. Wenn Frauen in eine offene Konfrontation gehen müssen, kennen sie keinerlei Grenzen, es ist für sie eine Entweder-oder-Situation. Dann wird die Frau zur Löwenmutter, die alles tun würde, um ihr Kind zu verteidigen. Auch nur scheinbare Angriffe, zum Beispiel durch den Partner, werden als Bedrohungen aufgefasst und mit hoher Aggression beantwortet. Damit zerstören sie oft vieles auch zu ihrem eigenen Nachteil. Andererseits tendieren Frauen noch immer mehr zur Opferrolle und meiden so lange wie möglich den Konflikt, sind bereit, viel zu ertragen und setzen auf subtile Bestrafungen wie Gefühlskälte, Schmollen oder Sexualverweigerung.
Männer verfügen über viel mehr Erfahrung mit der offenen Konfliktaustragung als Frauen. Sie haben auch schon oft erlebt, dass der Gegner von heute in einer zukünftigen Konfrontation ein wichtiger Verbündeter sein kann. Gerade erfolgreiche Männer haben gelernt, sich Unterlegene nicht zu Todfeinden zu machen. Sie können bei Konflikten leichter die persönliche von der Sachebene trennen. Deshalb fühlen sie sich häufig völlig unverstanden, geradezu hilflos in Konflikten mit Frauen.
Die Lizenz zum Verletzen …
gibt es nicht – weder für Männer noch für Frauen. „Heraus aus der Opferrolle“ darf nicht heißen, selbst zum Täter zu werden. Man kann auch nicht seinen nächsten Partner für das büßen lassen, was einem „die Männer“ oder „die Frauen“ davor angetan haben. Dafür gibt es nie und unter keinen Umständen eine Rechtfertigung. Jeder ist letztlich für sein Verhalten verantwortlich. Kein Mann und keine Frau werden von einem unsichtbaren „Gerichtshof der kosmischen Gerechtigkeit“ zum Richter über andere berufen. Für die ausgleichende Gerechtigkeit sorgen die kosmischen Gesetze von allein, oder wer es handfester hören will: Jeder zahlt seinen Preis dafür, was er anderen Menschen angetan hat. Es geht in diesem Kapitel nicht um die Bewertung des Verhaltens einzelner Menschen, sondern vor allem um das Beschreiben von Mustern, das viele Experten in ihrer Praxis beobachtet haben.
Unsere Gesellschaft hat aber sehr wohl eine Verantwortung dafür, dass Männer und Frauen schon früh lernen, besser miteinander auszukommen. Ein Teil der Lösung liegt in der Erziehung und in einem neuen Rollenverständnis. Wenn wir im familiären Umfeld nicht von klein auf ausreichend in den Millionen kleinster Gesten, Wörter und Situationen trainiert werden, sind wir später nicht in der Lage, mit den vielen sehr unterschiedlichen emotionalen Herausforderungen fertig zu werden.
Wir verfügen über ein sehr eingeschränktes Spektrum an Reaktionsmöglichkeiten. Wir sehen immer nur die Alternative zwischen offener Aggression oder gänzlichem Rückzug. In der modernen städtischen Gesellschaft haben Kinder viel zu wenige unterschiedliche Bezugspersonen als „Trainingspartner“. Während es früher Vater, Mutter, Geschwister, Großeltern, Tanten, Onkel und Verwandte gab, ist der Familienverband heute sehr klein, besteht statistisch aus einer Mutter, einem Vater und 1,34 Kindern. Bricht der Vater dann auch noch weg, bleiben die Mutter und ein Kind übrig. Da es mittlerweile fast nur mehr weibliche Grundschullehrerinnen gibt, fehlt Kindern dann jede männliche Bezugsperson. Damit soll keineswegs die Großfamilie der Vergangenheit mit ihren patriarchalischen Strukturen idealisiert werden, sondern nur auf die immer größere soziale Isolation der Kinder der Gegenwart hingewiesen werden. Und die wird zu einer sozialen Zeitbombe. Sozialverhalten und den Umgang mit den eigenen Gefühlen kann man auch am tollsten Computer nicht lernen.
In der eigenen Falle gefangen
Für Frauen liegt die Falle im Umgang mit Verletzungen manchmal darin, dass sie diese in ihrem Innersten als Bestätigung für ihr durch ihre Erziehung verursachtes ohnehin angeschlagenes Selbstwertgefühl sehen. Dieses Muster ist völlig unabhängig davon, wie erfolgreich sie im Leben tatsächlich sind. Haben sie von ihrem Vater immer nur hören müssen, dass sie seinen Ansprüchen nie genügen können, dann nehmen sie das später
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