Der verletzte Mensch (German Edition)
würden?“ – „Okay, Mr. Heinz, wir haben gerade beschlossen, dass wir ab sofort in der Lebensmittelindustrie tätig sind.“ Diese schöne Geschichte soll natürlich nicht davon ablenken, dass Bill Strickland lange hartnäckig, aber erfolglos Klinken bei Bürokraten, Unternehmern und Politikern geputzt hat – auch wenn die Fakten eindeutig für ihn sprechen.
Die Professionalisierung des Guten – so viel würde eine bessere Welt kosten
Was kostet ein Schüler pro Jahr im Manchester-Bidwell-Zentrum, inklusive guten Essens, hervorragender Lehrer, der Betriebskosten des Gebäudes, der Orchideen und all der tollen Programme?
Die Antwort: 10.000 Dollar.
Was kostet es pro Jahr, einen straffälligen Jugendlichen, der bereits mehrmals verurteilt wurde, in ein Gefängnis zu sperren?
Die Antwort: 50.000 Dollar.
Man braucht wohl nicht lange nachzurechnen, um zu glauben, dass es fünf Mal mehr Geld kostet, einen Sicherheitstrakt mit aller Technik zu bauen und ihn mit hochgerüstetem Wachpersonal zu betreiben, als eine großartige Schule mit den besten Lehrern zu führen. Eingesperrt bleiben straffällige Jugendliche meistens sehr lange und es gibt überhaupt keinen nachhaltigen Nutzen für die Gesellschaft – ganz im Gegenteil zu guten Schulen.
Warum ist es dann so schwierig, die Konsequenzen aus diesen Fakten zu ziehen? „Weil wir Menschen komplizierte Wesen sind“, lacht Bill. „Unser politisches System wird von Menschen regiert, die nach anderen Kriterien entscheiden. Innovationen werden oft lange unterdrückt, weil man mit ihnen keine Wahlen gewinnen kann. Innovation steht für Unabhängigkeit und unternehmerisches Denken, vom dem fühlen sich viele Gewerkschaften oder Sozialbürokratien bedroht, die um ihre Existenz fürchten, wenn sich die Dinge wirklich ändern würden. Daher gehen die Kandidaten, die gewählt werden wollen, zu diesen Gruppen und nicht zu mir. Ich kann mich aber nicht beklagen, sonst gäbe es dieses Zentrum nicht. Viele konnte ich schon überzeugen, dass die Gegenleistung für die Gesellschaft bei dem, was hier passiert, gewaltig ist. Aber auch wenn es 100 Mal Sinn hat, man muss ständig kämpfen.“
Bill Strickland geht es wie jedem innovativen Unternehmer in der Geschichte, man glaubt einfach nicht daran, dass die Dinge so funktionieren könnten, wie er es vorzeigt, weil es eben 100 Jahre anders gemacht wurde. Aber die Argumente von Bill sind mehr als einleuchtend. Wenn 50 Prozent der Kinder aus afrooder lateinamerikanischen Familien in den USA keinen Schulabschluss schaffen, dann vergrößern sie damit nur die soziale Zeitbombe, die ohnehin schon immer lauter tickt. „Ich bin kein Theoretiker, sondern ein Praktiker, der jeden Montag hierher kommt, um in dieser sehr harten Realität diesen Jugendlichen ihre Chance zu geben. Behandle Menschen gut. Lehre sie, die Schönheit zu genießen. Gib ihnen gutes und gesundes Essen. Das ist mein Job.“
Du bist, was du fühlst. Du bist, was du denkst. Du bist, was du tust.
Muhammad Yunus ist der Begründer der Grameen Bank, die Mikrokredite für Kleinstunternehmer in den ärmsten Ländern der Welt vergibt. 2006 wurde dieser engagierte Sozialunternehmer aus Bangladesch mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Bis dahin war er der Welt genauso unbekannt, wie es heute noch Bill Strickland ist. Stricklands großer Traum ist, seine Idee zu exportieren und 100 Zentren auf der ganzen Welt zu errichten. So gibt es bereits sehr fortgeschrittene Projekte für Israel, Johannesburg und São Paulo. Muhammad Yunus und Bill Strickland sind Beispiele für Menschen, die ihr Leben ganz in den Dienst ihrer Vision stellen. Was haben ein Friedensnobelpreisträger und ein erfolgreiches Schulungszentrum im Ghetto von Pittsburgh mit unserem Leben zu tun?
Mir sind bei den Gesprächen für dieses Buch viele andere Menschen begegnet, die in der Öffentlichkeit niemand kennt, die aber alle einen Nobelpreis für Mitmenschlichkeit und Mut verdienen würden: die Volksschullehrerin, die alle Mühen auf sich genommen und ein schwer behindertes Kind in ihre ganz reguläre Klasse aufgenommen hat, obwohl man ihr keine Unterstützung gab; der junge Betreuer, der im Hospiz Multiple-Sklerose-Patienten betreut, statt einen Managementjob anzunehmen; die Studentin, die neben ihrem Studium Deutschkurse für Migrantinnen organisiert. Sie alle gaben mir die gleiche Antwort auf die Fragen nach dem Warum: „Wir bekommen so ungemein viel zurück.“
Bruder David lehrt uns, wie wir unsere
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