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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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zu deutenden Blick.
    Der starrte nur auf das blanke Schwert Circendils, das der Mensch ihm wortlos vor die Nase hielt. Die beiden anderen Landhüter hielten noch immer die Zügel der Ponys in Händen, doch jetzt sah es eher aus, als hielten sie sich daran fest. Beide sagten kein Wort, aber es war deutlich zu sehen, dass sie sich sehnlichst wünschten, woanders zu sein.
    Inku lief zu seinem Herrn hin und hörte erst auf zu fiepen, als dieser wieder sicher auf seinen Beinen stand.
    »Ja, genug!«, rief Circendil und senkte sein Schwert. Klirrend stieß er es zurück in die Scheide. »Genug der Narretei! Genug von alledem! Bei Aman! Also Ihr seid die Obrigkeit, der sich die Vahits zu ihrem Schutze anvertrauen? Ihr hütet demnach das Hüggelland? Dann wehe! Mich dauert Eure Heimat bei solchem Schutz! Welches Gift hat Euren Geist umnebelt, dass ihr friedfertige Reisende mit Euren Verdächtigungen förmlich überfallt?«
    »Friedfertig?« Gasakan deutete auf seine beiden immer noch am Boden liegende Landhüter. »Das nennt Ihr friedfertig?«, begehrte er auf. »Von Eurem eigenen Schwert einmal ganz abgesehen?«
    »Oh ja, ich nenne es so! Weil es der Wahrheit entspricht. Ihr habt zuerst den Befehl dazu gegeben, Hand anzulegen. Oder habt Ihr das schon vergessen?«
    »Ich habe jede Amtsanmaßung zu unterbinden.«
    »Das mag so sein. Dann unterbindet zunächst Eure eigene, werter Herr, denn Ihr habt Euch an einem Höhergestellten vergriffen. Ich war zugegen, als der Vahogathmáhir Mellow Rohrsang den Eid abnahm und ihm höchstselbst Titel und Hut verlieh. Ich bin fremd in diesem Land, nur ein einfacher Vindliandir, aber ich achte eure Bräuche und Gesetze offenbar mehr als Ihr, der Ihr eigens für ihren Schutz eingesetzt worden seid. Wozu gebt ihr Vahits euch Hüte und Bänder, wenn ihr sie missachtet, sobald jemand sie trägt? Wer in Eurem Hochmut seid Ihr, dass Ihr Euch über die Beschlüsse des Bürgermeisters erhaben dünkt?«
    »Wenn er wirklich ein Helvogt ist, so hätte er sich ausweisen müssen«, murrte Gasakan. »Ein jeder Vogt erhält einen Bestallungsbrief.«
    »Hast du mich etwa danach gefragt? Oder mir auch nur Gelegenheit dazu gegeben, ihn dir zu zeigen? Aber bitte, hier ist er.« Mellow zog eine Schriftrolle hervor und entrollte sie knisternd. Deutlich standen dort Siegel des Vahogathmáhirs und die eigenhändige Unterschrift Wredian Gimpels zu lesen. Danach rollte er das Schriftstück wieder zusammen und verwahrte es in seinem Rucksack.
    »Weißt du jetzt, wer ich bin?«
    »Der ehrenwerte Herr Helvogt Mellow Rohrsang.« Gasakan quetschte den Satz förmlich zwischen seinen Zähnen hervor.
    »Ich höre es immer wieder gern«, sagte Mellow leichthin. »Nun, da wir das geklärt haben, erlaube mir, deine Bestallung gleichfalls zu begutachten.«
    »Meine   … was? Was willst du? Wieso denn das?«
    »Wenn du wirklich ein Gauvogt bist, so hast du dich auszuweisen. Ein jeder Vogt erhält einen Bestallungsbrief, wie du eben erwähntest. Wenn ich also bitten darf   …?«
    »Ich habe den Brief nicht ständig bei mir«, knurrte Gasakan. »Ich bin immerhin seit drei Jahren für den Tiefengau verantwortlich, und ein jeder kennt mich hier.«
    »Aber ich soll den meinigen bei mir tragen und unaufgefordert vorzeigen? Mich nanntest du lächerlich. Merkst du nicht, wie lächerlich du dich machst? Ein jeder kennt dich, sagst du? Ich kenne dich nicht. Du trägst einen Vogthut und behauptest, amtlich bestallt worden zu sein, doch du kannst dich nicht ausweisen. Das macht dich verdächtig. Also muss ich annehmen, in dir womöglich einen Hochstapler vor mir zu haben, der sich der Amtsanmaßung schuldig macht. Hochstapelei ist ein schweres Vergehen hierzulande.« Mellows altes Grinsen brach hervor, aber in seinen Augen leuchtete weiterhin ein warnendes Glitzern.
    Taram, der wieder bei Bewusstsein war, und Geldo mit einer dicken Beule am Kopf sowie die beiden Vahits bei den Ponys starrten abwechselnd Gasakan und Mellow an und versuchten, sich darüber schlüssig zu werden, ob Letzterer das Gesagte ernst gemeint hatte.
    »Das mit deinem Sturz tut mir leid«, sagte Finn, trat zu Taram und streckte ihm die Hand entgegen. »Finn Fokklin aus Moorreet.«
    »Taram Goldammer aus Vahindema«, antwortete der andere, unter Schmerzen und undeutlich. Er erwiderte halbherzig den Händedruck. Er sah dabei Finn nicht an, sondern tupfte sich Blut von der Lippe, die er sich beim Sturz aufgeschlagen hatte; und so entging ihm, wie dieser

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