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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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vielmehr, hört ihr auch   … nichts? Diese Stille. Als wäre das Dorf ausgestorben.« Er sprach unwillkürlich mit leiserer Stimme, und das unterstrich den Eindruck der Verlassenheit noch deutlicher.
    Sie blickten sich um und lauschten, doch sie hörten nichts als den Wind, der über die Dächer strich und die Wipfel der Bäume wiegte.
    Niemand zeigte sich auf der Straße und den vielen abgehenden Wegen, zumindest, soweit sie sie einzusehen vermochten. Kein Kind spielte, keine Mutter rief, keine Großmutter kehrte den Staub aus einer der Türen.
    Aarienheim schien vollständig verlassen zu sein.
    Finn fühlte, wie eine innere eiskalte Hand sein Herz umkrampfte. Er sah zum Tauberhaus hinüber, das ebenso still und verlassen dalag wie jedes andere.
    Schon das allein ist ein Unding, dachte er. Dieses Haus war niemals still gewesen; in einem fort war dort gesungen worden, gelacht, geweint und gescholten; Kleinkinder greinten, junge Mütter seufzten, und die kräftigen Tauberjungen hackten lärmendHolz oder spielten mit den Kleineren Ball oder Fangen auf dem Platz hinter dem Haus vor der großen Scheune.
    »Kommt«, sagte Circendil; er saß ab und lockerte sein Schwert. Die Vahits taten es ihm nach. Bholobhorg hielt seinen Stab bereit. Finn und Mellow legten die Hand an die Griffe ihrer Waffen. Sie banden die Ponys an und folgten dem Weg, der rechts um das Haus herumführte. Die Eingangstür lag nach hinten hinaus, sodass ein jeder, der heraustrat, als Erstes ein Stück Rasen und danach den unvergleichlichen Anblick der Tiefenlande vor Augen hatte. Aber auch auf der Sturzseite des Hauses war niemand zu sehen.
    Es ist fast wie beim Acaeras oder in Räuschelfurt, dachte Finn unter dem Ansturm ihn jäh anspringender, düsterer Vorahnungen. Halb und halb erwartete er, schon beim nächsten Schritt auf eine Blutlache zu stoßen. Unwillkürlich schnupperte er, ob er etwa den Rauch verkohlter Federn riechen könne. Aber da war nichts, was nicht sein sollte   – nur ein dünner Geruch von verbranntem Buchenholz, das die Vahits gern in ihren Kaminen verfeuerten, drang aus den umliegenden Schornsteinen. Er legte seine Hand um Maúrgins Heft und spähte zu den Stallungen hinüber. Ein paar Hühner scharrten dort, und eine Ziege meckerte hinter einem Verschlag. Das war alles. Die kleine Sägemühle hinter der Scheune stand still.
    Finn sah seine Begleiter an und hob fragend die Brauen. Dann setzte er Inku ab und pochte mehrfach an die Haustür. »Heda!«, rief er, als niemand öffnete. »Oma Walnutia? Opa Hámlat? Besuch ist da! Hallo! Wo seid ihr denn alle?«
    Es kam keine Antwort.
    Er rüttelte am Knauf. Circendil beugte sich herab und versuchte, durch eines der niedrigen Fenster zu spähen, deren Läden zurückgeklappt waren. Nichts regte sich hinter den Scheiben. Die Tür indes war verschlossen, und auch das war ungewöhnlich.
    Allein Inku schien dies alles nicht zu missfallen. Er tapste davon   – und jagte plötzlich fallenden Blättern nach. Wie ein Wirbelwind schoss er über den Rasen. Er übersprang eine matschige Pfütze, über der eine schwankende Schaukel unter einem Walnussbaum hing, und fing ein Blatt mitten im Flug. Er überschlug sich und rannte übermütig weiter.
    »Hierher, Inku!«, rief Finn erschrocken. Inku achtete auf nichts anderes als auf sein neues Spiel. Schon war der Welpe im Zickzack immer mehr nach vorn gestürmt. Er sprang jetzt bedenklich nahe am Verlauf des Zauns herum   – und damit am Abgrund dahinter.
    Finn rief abermals, und sein Herz wollte aussetzen, als Inku nun längs der Absperrung über Wurzeln und Bodenrillen fegte. Der Zaun bestand nur aus in unregelmäßigen Abständen gesetzten weißen Pfosten und zwei daran verlaufenden Querholzreihen, zwischen denen einzeln gesetzte Längslatten eine Art Gatter bildeten, aber nicht bis ganz zum Boden hin reichten. Selbst deren untere Kante war noch höher angebracht als Inkus Ohren hinaufreichten. Ohne Weiteres konnte er darunter durchschlüpfen. Zwei oder drei Sätze nach links und er würde den Halt verlieren und unrettbar in die Tiefe stürzen. Der Welpe kannte weder das Grundstück noch den lauernden Abgrund dahinter, und Finn verfluchte seinen bodenlosen Leichtsinn. » Zurück , Inku!«
    Ob der Hund das Drängen in der Stimme seines Herrn vernahm oder einfach nur des Spiels müde wurde, war nicht ersichtlich. Aber in eben diesem Augenblick warf er sich herum und machte kehrt. Japsend kam er zurück zum Haus gerannt und lief schweifwedelnd

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