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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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tödlicher, und es sah aus der Höhe schärfer denn zuvor. Es erblickte den Kolryndir, der sich vergeblich hin und her bewegte wie eine lächerliche Krume trockenen Sandes an verlorenem Strand, an den die Flut heranpeitschte und ihn hinfortwusch. Doch ehe der Reiter die Zügel seines Tieres zu diesem Punkt lenken konnte, gewahrte sein scharfblickendes Auge etwas anderes, das seine Aufmerksamkeit erforderte: Ein gelbliches Glimmen stach aus den Wiesen auf. Ein kaltes Feuer, um das sich drei winzige Gestalten balgten.
    Der Dunkle, Diener seines Herrn, der Simorgh, Saisárasar   – erlenkte seinen Criarg nach rechts und kippte hinab. Steil stürzte der Raubvogel abwärts, die Flügel an den Leib angezogen; und schneller als der Wind.
    Mit unbändiger Kraft schüttelte Mellow den Vahit ab, der plötzlich nach oben starrte und irgendetwas rief; aber was, war gleichgültig. Er strampelte sich frei und warf den Vahit von sich, der sich frech und dreist auf seine Brust gesetzt hatte und den er nicht einmal mehr erkannte. Mellows Knie stieß an etwas Hartes, und er griff danach   – es war das Wacala, das Wilhag fallengelassen hatte. Er packte es, ohne zu begreifen, was es war. Sein nächster Blick galt dem Anderen, dem Dieb, dem eigentlichen Räuber   – er hatte seinen Stein an sich gerissen, hatte ihn befummelt und betatscht und mit seiner widerlichen Lüsternheit besudelt. Tatsächlich sah Mellow nicht länger Finn Fokklin aus Moorreet vor sich, seinen besten Freund, sondern ein gieriges Etwas, das mit fetten, grabschenden Fingern den Stein befleckte.
    Zwischen dem Moment, da Wilhag seine Warnung geschrien, und dem Augenblick, da Mellow das Wacala erneut gegen Finn erhob, lagen nur wenige Wimpernschläge. Dann war der Schatten heran. Ein furchtbarer doppelter Schlag traf Mellows Kopf, Schulter und Waffenarm. Er verlor den Boden unter den Füßen, das Wacala entfiel seiner Hand. Er überschlug sich, krachte in das Geäst eines Busches und blieb regungslos liegen.
    Finn sah aus schreckgeweiteten Augen mit an, wie der Criarg über Mellow hinwegschoss, Schnabel und Fänge wie Rammen gebrauchend, und den Freund durch die Luft schleuderte. Durch den eigenen Schwung und den Aufprall geriet der Raubvogel selbst ins Trudeln; wie eine Kugel aus Schwingen und Schwärze rutschte er über den immer noch nachtfeuchten Wiesengrund ins Unterholz. Im letzten Moment, ehe splitternde Zweige der wirbelnden Bewegung knackend und krachend Einhalt geboten, löste sich ein weiterer Schatten von dem ersten. Mit einemdumpfen Laut sprang die Gestalt federnd zu Boden, richtete sich auf und zog ein blankes Schwert.
    Saisárasar! Fünf, vielleicht sechs Schritte entfernt stand er vor Finn, richtete seine schwarzen Augen auf den Vahit   – und erkannte ihn.
    »Sieh an«, sagte er. Über sein dunkles Gesicht flog ein Lachen ohne jede Fröhlichkeit. »Der Freund der Kröte. Der Brunnenhopser. Und so ganz allein. Ohne die Hilfe seines zweifelhaften Kolryndirfreundes.«
    »Nicht ganz allein!« Wilhag sprang auf, griff sich einen Stock und stellte sich neben Finn. »Nicht ganz allein. Im Gegensatz zu dir, wer immer du bist.«
    »Ach   – hat er mich dir verschwiegen? Das ist nicht nett, nein, wirklich nicht.« Der Blick von Saisárasars unverletztem Auge wurde hart. Er trat näher. Er hob mit seinem Schwert Finns Kinn an und verzog die wulstigen Lippen. Beide Vahits waren unfähig, sich zu bewegen.
    Das verbrannte Fleisch um das von Mellow ausgestoßene Auge zuckte wild; es ließ die rechte Wange des Menschen beben, als führe sie ein Eigenleben. »Man sagt, es täte gut, alte Bekannte zu treffen. Ich stimme dem nicht zu, was dich betrifft. Wie immer, wenn ich dich treffe, Krötenfreund, so wird mir etwas genommen. Zuerst mein Auge, dann ein Dutzend meiner Krieger, und jüngst auch noch mein eigen Hab und Gut, wie ich sehe. Du spielst mit Sachen, Wicht, die dir nicht gehören. Und das kostet dein Leben, so oder so. Ergib dich, und gib mir den Stein! Dann töte ich dich schnell. Wehre dich oder weiche auch nur um einen Schritt, und du wirst leiden, wie nie zuvor ein Wicht gelitten hat!«
    Wie schon einmal spürte Finn, wie ihm die Haut geritzt wurde und Blut, heftiger dieses Mal, ihm den Hals hinunterrann.
    Das war es also, dachte er. Vor acht Tagen ritzte mich ebendieses Schwert, geführt von ebendieser Hand, gelenkt von ebendiesem Feind. Der beseelt ist von einem Willen, der ihn seinerseits lenkt und der ihn zum größten, nein einzigen Feind

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