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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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gefährlich! Eilt euch! Bringt euch in Sicherheit! Kommt ins Haus! Und ihr dort! Hinüber in den Broch! Nun macht schon!«
    Fionwen stürzte zum Fenster, Finnig fest an sich gedrückt. Sie konnte den Sprecher nicht sehen, doch sie hörte die Worte des Davenamönchs so laut, als stünde er unmittelbar neben ihr. Furgo auf seinem Bett regte sich und erwachte.
    »Was ist das für ein Lärm?«, fragte er.
    »Die Eren«, antwortete Fionwen, erschrocken und neugierigzugleich. Sie beugte sich tief, um unter dem Fensterfirst in den Himmel sehen zu können. »Da! Sie fliehen den Sturz. Du meine Güte   – ich wusste nicht, wie viele es sind.«
    »Das solltest du aber. Immerhin lebst du hier, Nichte, und dieser Ort heißt gewiss nicht Aarienheim, weil hier so viele Hasen hausen. Lass mich einmal sehen!« Furgo reckte seinen Kopf zum Fenster hin. »Das hat es noch nie zuvor gegeben«, sagte er, für diesen Augenblick wieder ganz der Alte. »Etwas Schlimmes geht da draußen vor. Wer ist es, der da so brüllt?«
    »Es ist der Mensch, Schwager. Der Heiler, der dich versorgte, deines Sohnes Freund.«
    »Was sagst du da? Finnig ist hier?«
    »Ja, schon seit vorgestern. Er war bei dir und war sehr besorgt   …«
    »Albernes Zeug!«, schnappte Furgo. »Wenn er besorgt wäre, befände er sich jetzt statt deiner hier. Und würde mir aufhelfen, was nur rechtens wäre! Stattdessen treibt er sich wieder sonstwo herum. Aah, dieses Bein! Reich mir deine Hand, Fionwen. Nun komm schon!   – Bring meinen Stuhl! Keine Widerrede! Ich will wissen, was da vor sich geht! Ich muss hinaus!«
    Sie erkannten ihn abermals an seinem roten Hut, der in der Sonne aufleuchtete wie ein Fliegenpilz im nassen Gras. Wieder war Mellow in jenen seltsam langsamen Gang verfallen, als zöge ihn etwas und etwas anderes hielte ihn zurück. Noch befand er sich ein gutes Stück vom Tauberhaus entfernt, war jedoch nicht mehr weit von der Stelle, an dem der Landweg in den befestigten Bohlenweg überging.
    »Diesmal ohne alles Gerede!«, zischte Finn. »Er darf uns nicht noch mal entwischen.«
    »Oder Ohren aufschneiden«, versetzte Wilhag. »Also, auf ihn   – ohne Gebrüll.«
    Sie nickten sich zu; dann spurteten sie los. Inku japste ihnen nach.
    Sie flogen förmlich den Weg entlang, übersprangen weiche Stellen, Reste von Pfützen, wichen Steinen aus und knorrigen Wurzeln. Finn dachte undeutlich an eine ähnliche Hetzjagd zurück, die ihn durch zersplittertes Unterholz und einen halben Sumpf geführt hatte. Sein Herz hämmerte, und er wusste nicht, ob es vom Laufen kam oder weil ihm für zehn oder zwanzig Schritte wieder Tallias Bild vor Augen stand, wie sie über einer struppigen Schulter hing, die eigenen goldenen Haare über modrige Blätter schleifend   – als Beute des haarigen Biestes, das sich unversehens in den Dwarg Glimfáin verwandelt hatte   …
    Als sie sich Mellow bis auf zwölf oder zehn Klafter genähert hatten, hörte er ihr Kommen. Seine Hand fuhr zum Gürtel und tastete vergeblich   – das Wacala war fort, und das bemerkte er wohl erst jetzt.
    Diese eine Sekunde des Zögerns genügte. Die beiden Vahits warfen sich in seinen Rücken und rissen, jeder einen Arm packend, Mellow von den Füßen. Inku bellte wie wild. Der Aufprall drückte Mellow mit dem Gesicht in den Sand. Wilhag zögerte kurz, ehe er den Helvogt mit seinem gesamten Gewicht festhielt; was er in diesem Augenblick im Begriff stand zu tun, war für einen redlichen Vahit ganz und gar ungeheuerlich, verwerflich geradezu. Ihm war sichtlich unwohl dabei zumute, aber dieser Helvogt hatte seinem Vetter das Ohr aufgeschlitzt, Sinyanhwe hin oder her   – und das gab den Ausschlag. Er schob jegliche Zweifel beiseite. Mit aller Kraft hielt er den sich windenden hohen Würdenträger auf dem Boden. Dennoch meinte er, auf einem durchgehenden Pony zu hocken, das unter ihm bockte und um sich trat.
    Finn spreizte seinem Freund mit aller Kraft die Finger zuerst der rechten, dann die der linken Hand auseinander   – kein schimmernder Stein lag in ihnen.
    »Er hat’s in seinen Taschen«, keuchte Wilhag, während sich Mellow unter ihm wand wie eine Schlange. Unversehens schrie er auf; Mellow hatte ihn gebissen. »Sieh endlich nach! Und beeil dich. Lange kann ich ihn nicht mehr bändigen!«
    »Dreh ihn um!«, verlangte Finn. »Sonst komm ich nicht dran. Knie dich auf ihn. Halte durch! Nur noch einen Moment!«
    Wilhag tat sein Bestes, und es genügte.
    Mit einem leisen Freudenschrei zog Finn seine

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