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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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machte, den dasHüggelland zeit seines Bestehens kannte. Das war es also. Sieben Tage der Flucht, der Angst, des Hoffens bar aller Kraft und jenseits aller vernünftigen Hoffnung. Tage der ungezählten Schmerzen, und wofür? Um wieder dort zu stehen, wo alles begann. Am falschen Ende eines Stückes Eisen.
    Saisárasars Schatten fiel auf ihn. So oder so   – jener, der sich Simorgh nannte oder so rufen ließ oder ein Simorgh war   – er würde ihn töten, hier, jetzt und für alle Zeit. Das war es also   …
    Ein Schütteln und Krächzen drang in Finns Ohren. Der Criarg rappelte sich auf. Er schlug mit den Flügeln um sich, befreite sich aus dem Gestrüpp, in dem er liegengeblieben war. Ein gellender, misslauniger Schrei, in den sich entfernter Kampfeslärm mischte, den Finn erst jetzt vernahm. War dies das Ende?
    Saisárasar wandte die Schultern; er drehte den Kopf, kurz nur, ein scharfer, prüfender Blick zur Seite, ob sein Reittier bereit sei, den Herrn wieder zu tragen. Doch durch die Wendung entließ der Schatten die beiden Vahits, das Licht der Sonne fiel an den hochaufragenden Schultern des Menschen vorbei und traf auf zweierlei Gestein. Die Sinyanhwe gleisste auf; der Karbeol an Finns Seite loderte wild.
    Beide Feuer rangen miteinander; das eine brannte sich in Finns Finger, die sich zuckend darum klammerten, das andere entfachte ein Licht in seinem Innern.
    »Dann nimm doch, was deines ist!«, brüllte Finn auf. Er dachte nicht länger, er zielte nicht und fasste keinen Vorsatz oder Plan; vielleicht traf er deshalb umso sicherer. Mit einer Kraft, die ihm selbst fremd war, ließ er sich nach hinten kippen, bog im Fallen seinen Arm weit zurück und schleuderte die Sinyanhwe von sich. Sie schlug an Saisárasar linker Schläfe auf, wohl mit der Kante einer ihrer Scharten, denn die Haut des Dunklen platzte, und der zurückfliegende Kopf zog eine Spur von dunklen Tropfen nach sich wie die Perlen einer zerspringenden Kette. Saisárasar stöhnte auf und sackte auf die Knie; das Schwert bohrte sich in das feuchte Erdreich vor ihm und hielt ihn aufrecht.
    Doch der Augenblick seiner Hilflosigkeit verging so schnell er gekommen war. Saisárasar riss die Klinge aus dem Boden und schlug mit ihr einen halben Kreis. Der Hieb galt Wilhag, der noch erschrocken neben Finns auf dem Rücken liegenden Körper stand und nicht begriff, was um ihn herum und viel zu schnell für ihn geschah. Wilhags Leben hing in diesem Augenblick an einem seidenen Faden, oder nicht einmal mehr das; er war so gut wie tot, enthauptet von blitzendem Stahl, geschwungen von Einem, der vor unsäglicher Wut einen Schrei ausstieß.
    Der Aufschrei aber brach ab   – und verwandelte sich in ein Röcheln. Das lange Schwert ging fehl, fuhr fauchend über Wilhags Kopf hinweg und flog aus Saisárasars Hand. Der Schwarzgewandete schlug mit dem Gesicht auf den Boden auf; in seiner rechten Schulter steckte Mellows noch zitterndes Wacala. Wie ein Echo dessen, den er getroffen hatte, fiel Mellow auf die Knie, und er weinte.
    Finn erkannte eine neue Gefahr, sprang auf und stieß Wilhag zur Seite. Wieder nur um Haaresbreite entging Wilhag so dem zuhackenden Schnabel des Criargs, der seinem Herrn zu Hilfe eilte. Finn streckte die Hand und schrie seinerseits. Maúrgin funkelte. Tief stieß die Klinge in das bebende Federkleid, durchbohrte Haut und Fleisch, traf das Herz und brachte den Tod. Der Vogel krümmte sich und fiel auf die Seite, die Fänge verkrampften sich in verendendem Hass und letztlich vergeblicher Gier.
    Die plötzliche Stille war eine der Sinne, keine echte Ruhe. Während Finn den Dwargendolch aus dem Vogelleib zog und von einem Schwall nachschießenden Blutes besudelt wurde, hörte er in seinem Geist allmählich den Lärm anschwellen, der beim Tauberhaus tobte.
    »Kommt! Fort von hier!«, rief er Mellow und Wilhag zu. »Wir müssen   …« Er kam nicht mehr dazu zu sagen, was er meinte. Mit einem gurgelnden Laut fasste sich der totgeglaubte Saisárasar an die Schulter, packte das Heft und riss die Klinge aus seinem Fleisch. Das bluttriefende Waldarbeitermesser in der Hand, zoger sich an einem Baumstamm auf die Beine, noch während Wilhag Finns Ruf Folge leistete. Mellow indes kniete immer noch; er schwankte und starrte verständnislos Saisárasar an, dessen Auge eben auf den Helvogt fiel.
    »Die Kröte!«, zischte der Dunkle. Zwei Schritte brachten ihn an Mellow heran, der Arm mit dem Wacala fuhr mit ungeheurer Wucht hernieder. Mellow schrie auf,

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