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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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rühre viele unterschiedliche Salben, Pasten und Tränke an, für fast alle Zwecke. Je nach Gebrechen und Krankheit. Zum Gerinnen von Blut das eine, zum Senken von Fieber das andere. Dann welche zum Ausheilen von Entzündungen, zum Verkümmern von Geschwüren, zum Lindern von Gicht oder zum Reißen von Gelenken. Anderes ist wieder gut gegen verdorbene Mägen oder zum Abschwellen von schweren Gliedern. Manche meiner Zutaten muss ich rösten und zerstoße sie zu Pulver, weil einige Mittel nur wirken, wenn man sie in Ölen oder Wasser auflöst. Wir verkaufen alle diese Dinge, nicht nur an Schmiede wie den einfältigen Abhro, sondern ins ganze Hüggelland hinein, bis hinauf nach Vahindema und noch weiter. Die Bergleute sind häufig verletzt und brauchen unsere Mittel an beinahe jedem Tag. Oder frag deine Verwandten in Muldweiler mit ihrer Sägemühle. Ich kenne sonst keine Vahits, die häufiger an Blutvergiftungen erkranken.«
    »Dann   … dann ist eure Fröschnerey eine richtige Werkstatt? Ich meine, so wie die meines Vaters?«
    »Wenn du einen Rührlöffel ein Werkzeug nennst und einen Sudtopf eine Werkbank, dann hast du womöglich Recht. Und da du mich drauf bringst   …« Frau Rana stand auf und trat in einen der Nebenräume, wo auf einem Herd mehrere Töpfe blubberten. Sie rührte darin herum, schob Deckel schräg und legte ein Holzscheit nach.
    »Aber   … wenn ihr die Frösche kocht   … ich meine   … ihr tötet sie   …? Oder?«
    Wie vielen Vahits war Finn der Gedanke daran, Tiere zu töten, ja überhaupt ein Leben zu beenden, ein tiefes Gräuel. Vahits aßen aus diesem Grund auch kein Fleisch, außer in Notzeiten, wenn es nichts anderes gab. Selbst als es sein Leben galt, hatte es ihn größte Überwindung gekostet, einen Gidrog zu verletzen oder im Kampf zu töten, und er bezweifelte, ob er es wirklich über sich gebracht hätte, selbst den verhassten Criarg mit Glimfáins Axt zu köpfen, wenn die Dinge anders gelaufen wären.
    »Nein, wir werfen sie lebendig in das kochende Wasser!«, sagten die Brüder wie aus einem Mund. »Manchmal wetten wir, wer länger darin hüpft.«
    »Buffo! Wigo!« Frau Ranas Stimme zerschnitt den Raum.
    »Tschuldigung. War nur’n Witz«, murmelte Buffo.
    »Wer darüber lachen kann, das möchte ich mal wissen.« Frau Ranas Blicke glichen zuckenden Blitzen.
    »Ja, ’tschuldigung. Natürlich töten wir sie   – vorher«, erklärte sein Bruder Wigo. Er war der ältere der beiden   – und der, der ihn in seinen Kindertagen als erster von beiden geärgert und rüde vom Wege geschubst hatte. »Was bleibt uns übrig? Anders können sie uns nicht geben, was bedürftigen Vahits Heilung bringt. Wir schlachten sie, häuten sie, trennen das Fleisch vom Knochen. Je nachdem. Manchmal sitzt ein Gift in ihrer Haut, auf das es Mutter ankommt, manchmal können wir sie sogar bei lebendigem Leibe melken, weil es aus ihren Mündern tropft. Manche Arten sind sogar ganz lecker.«
    »Du meine Güte   – ihr esst sie?« Finns Mund stand offen wie ein Scheunentor.
    »Na und?« mischte sich Ridibund ein. »Warum auch nicht, möchte ich mal wissen. Sollen sie verderben, nun, da sie schon mal tot sind? Außerdem gibt’s eine Sorte, die verhindert für Wochen, dass einen die Mücken beißen. Da beiß ich lieber in’n Frosch, sag ich dir.   – So! Und nun möchte ich endlich hören, was du auf dem Baum da zu suchen hattest, Herr Finn.«
    Finn kratzte sich verlegen am Kopf. »Wo soll ich nur beginnen? Es ist eine lange Geschichte, und obwohl ich sie erlebt habe, glaube ich sie selber kaum. Außerdem fehlt uns die Zeit   … mir fehlt sie, meine ich. Ich muss schnellstens zurück zu Herrn Abhro, sie wartet dort auf mich. Und andere warten auch. Sie   …«
    »Sie. Aha. So so. Sie «, äffte ihn Ridibund nach und stopfte seine Pfeife neu. Er beugte sich vor. »Es steckt eine Frau dahinter, stimmt’s?« Er schoss einen siegesgewissen Blick in Ranas Richtung ab und hüllte sich erneut in dichten Qualm, als sei damit alles gesagt.
    »Nein. Oder doch, ja.   – Ja, vielleicht fange ich damit an. Mit ihr«, sagte Finn und wand sich auf seiner Bank. »Es stimmt. Ich war mit einer jungen Frau gerade unterwegs nach Moorreet   …«
    »Na bitte!«, belferte Ridibund und schlug mit der Hand flach auf den Tisch. »Und weiter?«
    »Und weiter ist sie eine Verwandte von euch. Wir waren eigentlich auf dem Weg, um euch zu besuchen. Das heißt, sie war auf dem Weg dahin, ich war auf dem Weg, um in

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