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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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entlang und über Holzstege, von denen Finn nicht einmal ahnte, wohin sie führten, außer in ein gleichbleibendes, flimmerndes Halbdunkel hinein und zwischen Schilf und wilden Blaubeersträuchern dahin, von denen die Brüder eifrig im Gehen ganze Hände voll naschten.
    Finn hatte keinen Hunger mehr, und er überhörte den Spott, mit dem Buffo und Wigo über die grüne Farbe seines Gesichtes sprachen. Um ihn zu foppen, stellten sie die abwegigsten Vermutungen darüber an, woher die rühren mochte.
    Er erwiderte nichts und ließ sie reden.
    »Bestimmt kommt’s von der Haut der glibberigen   … du weißt schon«, meinte Buffo. Er ahmte ein Quaken nach.
    »Nein, sie kommt von dem ekligen Schleim der Sumpffliegen   … du vergisst, er ist in einen ihrer Tümpel gefallen. Das Zeug klebt an einem fest, das sag ich dir.« Wigo fuhr sich mit seinen saftblauen Händen durchs Gesicht, ohne es zu bemerken.
    Am Ende kamen sie lachend überein, dass sein Grün wohl ein Widerschein des Blätterdaches sein müsse, das über ihren Köpfen im zunehmenden Winde wogte.
    Immerhin trennten sie sich am Moorreeter Dorfrand freundlich von ihm. Sie winkten ihm sogar zu, ehe sie erneut unter den Schatten der Farne mit dem Erdboden verschmolzen   – ganz und gar gegen ihre frühere Gewohnheit, ihn vorher gehörig zu schubsen und zu stoßen.

5. KAPITEL
Auf der Straße gefunden
    M OORREET WAR EIN ANNÄHERND runder Ort, dessen sieben Brochs und fünf Häuser sich samt ihren Scheunen und Ställen mehr oder weniger gleichförmig um den Gänseweiher am Dorfplatz gruppierten. Man erreichte ihn über die hier endende Mürmelstraße; die einzige Straße , die diesen Namen verdient hätte. Daneben führten nur einige Trampelpfade zwischen den Hofgattern entlang, und es gab ein paar Weidezugänge und Feldwege. Zu zwei Dritteln war das Brada von Torfwiesen umgeben, mit weichem, schwarzem Boden, auf denen Heidkräuter wuchsen und aus denen die Moorreeter ihren Heizvorrat stachen. Die ersten Vahits in dieser Gegend waren tatsächlich Torfstecher gewesen. Eine verwilderte Brombeerhecke westlich des Weihers zeigte noch an, wo einst die frühesten Bebauungen dieser Gegend gestanden hatten: auf einer gerodeten Lichtung, noch ehe das spätere Moorreet an seiner heutigen Stelle entstanden war.
    Dahinter aber wurde es rasch sumpfig. Eine unwegsame Fläche von ineinander verschlungenen Tümpeln unter schweigenden Bäumen erstreckte sich hernach bis weit an die Berge heran, ehe sie zu deren Knien in ein Hochmoor übergingen und ihre Fenne sich in namenlosen Wäldern verloren, aus deren Schatten sich die ersten Hänge erhoben.
    Das letzte Viertel des Dorfrundes bildete östlich des Weihers der Bruchdamm, über den die Straße in einem weiten Bogen verlief, ehe sie hinunter nach Mechellinde strebte. Der Damm schützte das Brada vor dem Anschwellen des nahen Mürmelbruchsees, ein von unzähligen Bächlein und plätschernden Rinnsalen gespeistes Becken, die allesamt aus den Fennen rannen und im Frühjahr das Schmelzwasser der Berge mit sich führten.
    Dieser große Teich verfügte über eine Quelle, und aus ihr entsprang die Mürmel. Der Fluss folgte der Straße oder vielmehr, die Straße folgte seinem Lauf   – beide zogen alsbald an dem bunten Flickenteppich der Moorreeter Felder vorbei, die unterhalb des Dorfes am rechten Flussufer auf trockenerem und festerem Grund bestellt wurden. Entwässerungsgräben unterliefen in hölzernen Rinnen die Straße und hielten mit ihren verstellbaren Schleusenbrettern die Felder fruchtbar.
    Uralte Mooreichen, die Jahr für Jahr wie wissend im Winde nickten, umgaben den Teich und lugten ostwärts über die Dammkrone, als behielten sie die Felder wachsam im Auge.
    Wigo und Buffo hatten sich außerhalb des Ortes von Finn verabschiedet, ehe sie sich zurück in die Büsche schlugen   – aber nahe ihres eigenen Brochs, dem am weitesten westlich stehenden Hof mit seinem Enten- und Gänsegeschnatter und dem Beginn beziehungsweise Ende der Straße.
    Finn ging nicht ganz bis zum Anwesen der Rohrammers. Er folgte einer oft begangenen Abkürzung: einem schmalen Feldweg, der in einer Lücke zwischen den Gatterzäunen zweier Grundstücke endete. Links lag das Zeisiggehöft mit Konkhos Gaststubenanbau des Verlorenen Henkels. Über seiner Tür baumelte ein bemalter Fassdeckel an einer Kette; er zeigte einen überschäumenden Krug, dem der Henkel fehlte. Rechts wohnte Geitsito Schilfrohr mit seiner zahlreichen Familie, hinter einer Reihe

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