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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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nicht, ob es nicht weitere Ledirin gab, die dir womöglich auf den Fersen waren. Ich teilte Circendil mit, was mir durch den Kopf ging. Er gab mir Recht. Sein Fuß schmerzte mehr, als er zugab, vermute ich. Ich ließ ihn bei der Barke halten, und ich sah, wie sehr er humpelte, nachdem er von Gwaeths Rücken gerutscht war. Wieder war es sein linkes Bein, mit dem er fehlgetreten war. Die Verletzung vom Vortag war aufgebrochen. Er versicherte standhaft, er käme allein zurecht, er brauche nur etwas Ruhe. Außerdem habe er ja Gwaeth.
    Er wird dir deine Wunde nicht verbinden können , wandte ich ein.
    Dennoch wird er mir eine gute Stütze sein; und ohne Frage in allem weitaus fügsamer als du, Herr Waldkrakeeler. Glaub mir, es geht mir leidlich gut.
    Das sehe ich. Und es ist kein gutes Zeichen, wenn du leidlich mit leidvoll verwechselst, falls du mich fragst. Soll ich nicht doch zuerst   …
    Wir treffen uns bei Abhro , fiel er mir fast grob ins Wort. Nun reite und bring uns Finn zurück.
    So nahm ich Smod kurzerhand beim Zügel und folgte den Wiesen hinauf bis zur Straße hin. Und hier hast du mich, in voller Lebensgröße. Es ist mir eine Ehre.«
    Mellow lüpfte lächelnd seinen Hut und deutete eine Verbeugung an.
    Finn erwiderte das Lächeln und schüttelte den Kopf. Mellow war einfach unverbesserlich.
    »Was weißt du über den Criarg?« Mellow sah ihn von der Seite an, doch Finn winkte ab. »Nicht jetzt«, bat er. »Später.«
    »Wie du willst. Wir sind ohnehin gleich da.«
    Soeben tauchte die Straße in die Kühle des Wäldchens ein. Kein Schmiedehammer sang, was Finn fast unnatürlich vorkam, bis ihm einfiel, dass heute ja Sonntag war. Nur die Blätter säuselten und unruhige Vögel zwitscherten. Die beiden Vahits gelangten an die Abzweigung und folgten Abhros ausgefahrenem Karrenweg. An seinem Ende bogen sie auf die Lichtung ein und sprangen vor dem Stall von den Ponys. Zumindest war es Mellow, der sprang; Finn spürte seine Beine kaum noch und folgte ihm bedeutend langsamer.
    »Finn!«
    Tallia stand in der offenen Scheune und wischte sich die Hände an einer Schürze ab, die nicht die ihrige war. Dann lief sie mit wehenden Haaren über den Hof und warf sich in seine Arme.
    Smod neben ihnen schnaubte und stapfte mit einem Huf auf, als wolle er sagen: »Na, da siehst du’s! Was machst du dir nur für unnötige Sorgen?«
    Finn hätte darauf keine Antwort zu geben gewusst.
    So schwieg er auch jetzt. Er drückte Tallias bebenden Körper nur an sich, hielt sie ganz fest, überwältigt davon, wie sehr sie sich um ihn geängstigt hatte. Es ist ein Glück, das ich nicht verdiene, dachte er, zwischen Schluchzern und Lachen und in ihren zerzausten Locken verloren. Mit schiefem Lächeln ließ er es geschehen, dass Smod sie beide mit seinem Schweif immer wieder streifte, als wolle er sie anstupsen oder auf etwas aufmerksam machen, das sie nicht sahen.
    Hüggellandponys waren neben all ihrer Gutmütigkeit bemerkenswert kluge Geschöpfe, und auf ihre Art konnten sie weiter blicken als die Vahits, die für sie sorgten. Sie wussten auf ihre Weise, dass Glück immer dann am innigsten zu den Wesen gelangte, wenn alles andere ringsum zu scheitern drohte und großes Unheil sich dräuend am Horizont zusammenballte. Eines gingmit dem anderen stets einher; und hätten sie es in Worte zu fassen vermocht, so wäre es gewiss eine Warnung gewesen wie diese: Hütet euch vor dem mächtigen Sturm, den wir längst im Winde wittern.
    Aber sie konnten nicht sprechen.
    Vanku und Smod richteten stattdessen ihre großen braunen Augen auf Mellow. Der jedoch sah nur hinauf in die Wipfel, als gäbe es dort etwas, das seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Er tat so, als bemerke er Finns und Tallias innigliche Zweisamkeit nicht einmal, und so entging ihm der fragend-klagende Blick der Ponys. Also senkten die Tiere wieder die Köpfe und sahen einander an   – für einen Herzschlag starr und stumm   – und nickten sich wissend zu.
    Ein großer Rabe hockte horchend auf dem Dach der Schmiede. Er äugte zu ihnen herab, schlug mit den Flügeln, wetzte seinen langen Schnabel und krächzte mahnend. Auch er hatte Botschaften vernommen. Ein Schauer durchlief das Land. Eine Ahnung von Beklemmung, ein unhörbares Wispern des Waldes, ein widriges Schwingen in den Blättern und den Spitzen der Halme, dem das Unheil alsbald folgen würde. »Aaarrr!« , machte er ein zweites Mal. Dann flatterte er zornig auf, weil niemand auf ihn hörte. Aber so war es

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