Der verlorene Brief: Roman (German Edition)
Werkstatt Fokklinhand beispielsweise waren sämtlich mit silbernen Kowalnägeln beschlagen, eine Ausgabe, die Furgo seinerzeit schweren Herzens, aber mit Befriedigung getätigt hatte.
»Einen gewissen Reichtum muss man den Leuten zeigen«, hatte er geschmunzelt, »vergiss das nie, Finnig. Sonst denken sie, du bist geizig. Oder, was schlimmer ist, sie argwöhnen, deine Geschäfte gehen schlecht.«
Nun – Furgos Geschäfte gediehen prächtig, und er konnte es sich leisten, in der Kowalhöhle einzukaufen. Ihr derzeitiger Besitzer, Awol Kowal, war auch dieser Tage der anerkannte Meister seines Fachs, und er führte wie seine Vorväter den Vorsitz in derSchmiedegilde. Timan war ein Verwandter. Selbstverständlich wurden nicht alle Kowals Schmiede. Aber es hieß, in ihrer Sippe wussten sie stets einen Hammer zu führen, wenn es darauf ankam. Einen Streit mit einem Kowal jedenfalls vermied ein jeder, der es konnte.
Mellow ergriff müde grinsend den baumelnden Schlegel und schlug ungerührt auf die Triangel ein. Finn zuckte zusammen und war sicher, dass ihr singender Klang das halbe Dorf aus dem Schlummer reißen würde.
Inku in seiner Decke erschrak ebenso. Er nahm den Lärm zum Anlass, seinerseits seine Anwesenheit lauthals zu verkünden.
Dennoch gingen nur im Gasthaus Lichter an. Und das rascher, als sie erwartet hatten. In Timan Kowals Haus schien man auf spät eintreffende Reisende eingerichtet zu sein.
Im Rest des Dorfes hingegen war man das Schellen des Klangeisens offenbar gewohnt. Hinter den dunklen Fensterläden blieb alles ruhig. Finn sah beinahe vor seinen Augen, wie sich dutzende von Vahits im Schlaf herumdrehten und den Bettzipfel über ihre Ohren zogen.
Fast zugleich hörten sie im Haus tieferes Hundegebell, was Inku mit einem kehligen Laut verstummen ließ – er steckte seinen Kopf zurück in die Decke und spähte vorsichtig über Finns Ärmel. Eine für Vahitverhältnisse sehr tiefe Stimme rief: »Aus, Galad! Ruhig!« Das Gebell verstummte augenblicklich. Im nächsten Moment klirrten Schlüssel. Die Tür wurde an ihrem Guckloch geöffnet, einer Klappe im dicken, nagelbeschlagenen Eichenholz. »Wer ist da?«, rief dieselbe Stimme.
»Vier müde Reiter aus Mechellinde«, antwortete Mellow. »Entschuldige die späte Störung, aber wir wurden durch das Unwetter aufgehalten und haben es nicht eher geschafft. Wir suchen ein Bett für die Nacht. Bestell das dem Wirt.«
»Der weiß es schon, denn ich bin es selbst. Und nur ein Bett? Nach allem, was ich sehe, braucht ihr deren wohl vier, auch wenn du dich da hinten im Schatten verbirgst; und grad deines müssteziemlich groß sein, will ich meinen. Aber es ist einerlei, denn ihr kommt reichlich spät – zu spät, um genau zu sein. Wir sind restlos belegt.«
»Belegt?«, fragte Mellow verwundert. »Wie das?«
Die Taumelnde Mühle war ein Gasthaus für Durchreisende der zwei wichtigen Straßen, und der Verkehr auf ihnen war für den Wirt erfreulich hoch. Gemessen an der Zahl der Fenster, vermietete er wenigstens zehn oder zwölf Kammern; aber noch nie hatte Finn von völlig belegten Zimmern gehört, außer vielleicht zu den halbjährlichen Helmarkttagen, und auch das nur in Vahindema.
»Fragt mich was Leichteres«, erwiderte der Wirt. Sie hörten ein lautes Seufzen. Er schloss die Klappe und öffnete die Tür. Trotz der ungewöhnlichen Stunde war er vollständig angezogen. Entweder war Timan Kowal ein begnadeter Frühaufsteher oder er hatte Nachtolmblut in seinen Adern. Ein geflochtener Gürtel umspannte eine kräftige Gestalt, die an Abhro Rabners breite Schultern erinnerte.
Er kann bestimmt ganz allein ein volles Bierfass heben, dachte Finn beeindruckt, der den Wirt noch nicht kennengelernt hatte. Timan Kowal musterte die drei im Lichtschein stehenden Vahits und warf dem im Schatten warteten Circendil einen misstrauischen Blick zu.
Ein zotteliger Hund mit geflecktem Fell saß gehorsam neben ihm. Ein älterer Aterar, der sie aufmerksam beäugte und in die Nacht hinaus schnupperte. Er knurrte leise, als er den Menschen witterte.
»Zurück, Galad. Ruhig.« Der Wirt fuhr dem Hund über den Kopf, kraulte ihn zwischen den Ohren und wandte sich den Neuankömmlingen zu. »Keine Sorge, der tut nichts. Es sei denn, ich befehle es ihm. Eigentlich«, sagte er, »müsstet ihr doch selbst mehr darüber wissen. Über die Anordnungen des Bürgermeisters und alles das. Zumindest wenn ihr, wie ihr angebt, aus Mechellinde kommt. Na, es ist schließlich eure
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