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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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dahin?«
    »Wir haben dich. Du zählst mindestens so viel wie fünfzig Vahits. Du könntest den Turm halten.«
    »Ich könnte es in der Tat vielleicht, Mellow   – wenn ich unverletzt wäre. Und keinen anderen, wichtigeren Auftrag zu erfüllen hätte. Der letztgenannte Grund drängt uns, wie du weißt, uns zu eilen, um Sturzbach zu erreichen, ehe der Feind die Schlinge zuzieht. Der erstgenannte wäre unter üblichen Umständen zu verschmerzen, aber wir haben eben keine üblichen Umstände. Um den Furtlerbroch gegen eine Übermacht zu halten, müsste ich mich flink bewegen können, aber eben das verwehrt mir mein Bein.«
    »Du liebe Güte!« Finn richtete sich erschrocken auf. »Das habe i ch ja völlig vergessen. Dein Bein. Und dann noch dieser Sprung die Klippe hinab   …«
    »Entschuldige; auch ich habe dein Bein aus meinen Gedanken verdrängt.« Mellow hob die Arme und ließ sie ernüchtert fallen. »Dann weiß ich mir keinen Rat. Dann sind Broch und Furt also in Kürze verloren.«
    »Ich weiß nicht. In Vierstraß hat es einen Postlerstall«, meldete sich Bholobhorg zu Wort. »Dort gibt es Ponys und auch Reiter, die wir schicken können.«
    »Die Nachricht würde viel später abgehen und weit länger brauchen«, widersprach Mellow. »Später, als wenn wir selbst einen Boten schicken.«
    »Aber immerhin würde sie abgehen, ohne uns weiter aufzuhalten.«
    »Es ist kein schlechter Rat, Mellow«, meinte der Davenamönch leise.
    »Wartet«, bat Finn und deutete auf den Wegweiser, der am Ortsrand stand und zwei Arme nach Nord und Süd ausstreckte wie ein Weihesprecher, der um einen Segen bat. »Seht selbst: Es sind noch zwölf Meilen bis Vierstraß. Nur noch, sollte ich wohl sagen. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich kann jetzt ohnehin nicht schlafen, so müde ich auch bin. Nicht im Furtlerbroch und erst recht nicht unter freiem Himmel. Also folgen wir Bhobhos Rat: Reiten wir weiter. Je eher wir in Vierstraß sind, desto eher können wir von dort eine Nachricht senden. Und jemanden, der sich um die Toten kümmert«, fügte er hinzu. »Falls jemand den Mut dazu hat, heißt das.«
    »Niemand wird allein gehen«, sagte Circendil. »Aber zehn oder mehr Köpfe werden vielleicht genug Mut aufbringen, so hoffe ich. Und ihr Bericht wird den Kampfgeist der Mechellinder Vahits aufstacheln und ihren Mut entfachen, auch wenn es nur der Mut der Verzweiflung ist. Ja, ich denke, das ist das Beste. Lasst uns reiten und der Nacht ein Schnippchen schlagen. Und auf die guten Augen unserer Ponys vertrauen.«
    Inku streckte den Kopf aus seiner Decke und ließ ein hohes Kläffen hören. »Ja«, lächelte Circendil, »und natürlich auf die Nase eines klugen Atruma.« Inku bellte abermals, fein und hell, wie es nur junge Hunde vermögen. Es klang freudig und aufmunternd, und unter der Decke spürte Finn, wie sein neuer Freund sich an ihn drückte.
    Sie setzten ihren unterbrochenen Ritt fort, aber langsamer als vorher. Und glücklicherweise ohne weitere Unterbrechungen, bis auf jene kurze Pausen, in denen Finn den Hund absetzen musste.
    Überdies wurde ihm der jeweilige Arm mit der Zeit schwerer und schwerer, in dem Inku sich zusammenrollte und schlief. Behutsam nahm er dann das Bündel und legte es sich in die andere Ellenbeuge. Was zuerst mühsam schien, erwies sich schon bald als nützlich: Jedes Umwechseln bewahrte ihn am Ende selbst davor, der eigenen Erschöpfung nachzugeben und während des Reitens einzuschlafen.
    Die Nachtkühle wurde von Mellows Mantel zurückgehalten, den Finn dankenswerterweise immer noch tragen durfte. Den beständig wehenden Wind spürte er deshalb kaum. Doch unter dem dicken Loden waren seine Kleider feucht, und sein eigener Mantel klebte schwer an Smods Kruppe.
    Bholobhorg erging es, was die Müdigkeit anbetraf, kaum besser, obwohl er sicherlich später aus dem Bett aufgestanden und weniger weit geritten war als die beiden anderen Vahits. Er gähnte in einem fort, was es auch nicht leichter machte, wach zu bleiben.
    Mellow blieb, entgegen seiner sonstigen Redseligkeit, beharrlich stumm. Er blickte geradezu auffällig oft über die Schulter zurück. Und immer, wenn er sich umwandte, kam es Finn vor, als wäre Mellow am liebsten selbst derjenige, der eiligst umkehrte. Jedes Mal gab er sich einen innerlichen Ruck und fügte sich in den gefassten Beschluss, aber es fiel ihm sichtlich schwer. Nie zuvor hatte Finn seinen Freund so hin- und hergerissen erlebt. Und trotz aller zurückliegenden und

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