Der verlorene Ursprung
Geheimaufträge übernehmen«, sagte ich grinsend. »Beispielsweise die Mumie des Dose Capaca beiseite schaffen, sie an irgendeinem Ort verbergen, den ihr bestimmt. Ihr kennt doch die Gegend.«
Ich redete wie ein Wasserfall, redete, ohne Luft zu holen, redete wie meine Mutter. »Oder aus der Kammer des Reisenden alle Hinweise auf die Flucht der Yatiri in den Urwald entfernen. Oder den Ausgangstunnel verschließen mit dem Steinring, den Efrain noch hat. Und du könntest dich eine Zeitlang beurlauben lassen oder eins dieser Stipendien für ein Forschungssemester beantragen. Na, wie es eben am besten läuft für dich. Dann könnten wir reisen und die Dogon in Mali besuchen, die Hopi, die Navajos ... eben all die Völker, bei denen es noch Legenden über die Sintflut und die Erschaffung der Welt gibt. Ein halbes Jahr in Bolivien und ein halbes Jahr mal hier, mal dort. Informationen zusammentragen.«
»Aber .«
»Und dann könnte ich auch Gertrude helfen und ihr Band mit den Stimmen der Capacas von Qalamana aufbereiten. Mich fasziniert neuerdings die Funktionsweise des menschlichen Gehirns so wie früher die von Computern. Nur fehlt mir eben auch da das nötige Handwerkszeug. Ich bin ja kein Arzt.
Aber als ich mit einem Spectrum angefangen habe, Programme zu schreiben, hatte ich auch keine Ahnung, und sieh mich jetzt an. Deshalb denke ich, daß ich von Gertrude viel lernen könnte, und wenn ich in Bolivien bin, können wir viel besser daran arbeiten.«
»Arnau .«
»Ich habe auch überlegt, daß wir im Sommer in Taipikala sein könnten und im Winter anderswo. Dann könntest du zwischen den Reisen nach Hause kommen, um deine Söhne zu sehen. Oder brauchen die dich noch, und du kannst sie nicht allein lassen? Das würde die Pläne natürlich etwas ändern und .«
»Halt den Mund!«
Ich verstummte schlagartig.
»Hör zu!« Sie griff sich mit beiden Händen an den Kopf. »Ich glaube, du hast den Verstand verloren. Vielleicht begreife ich nicht ganz, was du mir sagen willst. Du sprichst in Rätseln, und mir schwirrt der Kopf.«
Ich schwieg weiter und preßte die Lippen aufeinander, um ihr zu zeigen, daß ich nicht ein Wort mehr sagen würde. Ich hatte meine Chance gehabt. Ein richtiger Hacker gibt seine Geheimnisse niemals preis, außer wenn der Augenblick zum Handeln gekommen ist. Dann handelt er.
»Wie wär’s, wenn wir was essen gingen?« Sie durchbohrte mich mit ihren Blicken. »Dann können wir alles in Ruhe besprechen, während man uns einen Haufen Sachen auftischt, die wir lange nicht bekommen haben. Hier um die Ecke gibt es ein ausgezeichnetes Restaurant.«
»Okay. Aber es ist erst Viertel nach acht. Noch ein bißchen früh.«
»Nicht für uns, wir haben noch die bolivianische Zeit in den Knochen, und dort ißt man jetzt zu Mittag. Außerdem haben wir, wenn du dich erinnerst, heute morgen die Tabletts im Flugzeug nicht angerührt.«
Da hatte sie recht. Nur war ich nicht hungrig. Ich hatte gerade einen der schwierigsten Schritte meines Lebens getan, und offensichtlich waren die Hürden damit noch nicht genommen. Wollte sie, daß ich es ihr auf Aymara sagte, oder was? »Der Schamane der Toromonas hat für uns beide den gleichen Vogel gezeichnet.«
»Ich gehe nur rasch meine Sachen holen«, sagte sie mit einem eiligen Schritt zur Wohnzimmertür. »Warte einen Moment.«
Der komplette Absturz drohte.
»Hör zu!« hielt ich sie zurück.
»Nein, jetzt nicht.«
»Doch, jetzt«, beharrte ich. »Geh mit mir auf die Suche nach alten Geschichten. Vielleicht steckt ja doch ein wahrer Kern in ihnen. Ich bin mir sicher, daß es mit uns gutgehen wird. Wir sind ein super Team.«
Sie musterte mich übertrieben argwöhnisch.
»Und, falls es nicht klappen sollte«, redete ich weiter, »dann lassen wir es eben und sind einfach wieder Freunde. Ich reise weiter, und du hilfst mir, wenn ich zurück bin.«
»Du bist vollkommen übergeschnappt, weißt du das?« fuhr sie mich an. »Und überhaupt, glaubst du wirklich, du kannst einfach bei mir reinspazieren und mir ohne Vorwarnung diesen ganzen Mist auftischen? Das ist doch keine Art! Hör zu, ich bin neun Jahre älter als du, und ich kann dir versichern, daß ich in meinem Leben noch keinem Kerl begegnet bin, der sich plumper und ungeschickter angestellt hätte als du. Ist dir überhaupt klar, was für dummes Zeug du da erzählst?«
Das war’s, ich konnte sie nicht weiter in die Enge treiben, oder sie würde mich von ihrer Festplatte löschen.
»Denk drüber nach,
Weitere Kostenlose Bücher