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Der Vermesser (German Edition)

Der Vermesser (German Edition)

Titel: Der Vermesser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Hawke, Ihr Captain, er ist im Bilde. Er weiß, dass ich ihm auf der Spur bin. Dass wir schriftliche Beweise haben. Und er weiß auch, dass ich mit Ihnen gesprochen habe. Es ist zu spät. Es gibt kein Zurück mehr. Aber wenn ich den Brief habe, besteht eine Chance. Dann kriegen wir ihn. Ich weiß, dass wir ihn kriegen können. Wenn ich den Brief habe, kann ich die Sache mit der Baubehörde weiter voranbringen. Zumindest können wir ihn wegen Bestechlichkeit kriegen. Er wird ins Gefängnis wandern. Der Mann hat Sie betrogen, Tom. Sie wollen doch bestimmt auch, dass er ins Gefängnis kommt. Und wenn Sie mich in die Abwasserkanäle führen, wenn wir den Beweis finden, den mein Mandant dort vermutet, vielleicht …«
    Tom hob abwehrend die Hände. Er musste Zeit gewinnen. Ihm schwirrte der Kopf. »Dieser Brief … schadet der dem Captain?«
    »Ob er ihm schadet? Er beweist, dass Hawke Bestechungsgelder für den Abschluss von Bauaufträgen angenommen hat. Der Mann, der den Brief geschrieben hat, ist tot. Verstehen Sie denn nicht? Schlimmer könnte es für Hawke gar nicht sein.«
    Tom verstand, und sein Herz hüpfte vor Freude. Das also stand in dem Brief. Und der Captain wusste Bescheid. Kein Wunder, dass Brassey so viel daran lag, dass Tom von dem Kampf erfuhr. An Orten wie dem Badger geschahen Dinge, die für immer verborgen blieben. Aber jede Medaille hatte eine Kehrseite. Der Captain konnte ihm zwar allerlei Fallen stellen, aber Tom war im Besitz des Briefes. Ein solcher Brief war mindestens so viel wert wie ein Hund.
    »Ich würd Ihnen ja gern helfen«, sagte Tom mit ausdrucksloser Miene. »Gefängnis ist viel zu harmlos für einen Halunken wie ihn. Aber ich glaube, Sie verwechseln mich. Ich weiß nichts von einem Brief. Und ich glaube, ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich nicht mehr in die Abwasserkanäle gehe. Es ist gesetzlich verboten.«
    Rose starrte Tom an, der seine zerlumpte Jacke fester um sich schlang. »Aber …«
    »Ich hoffe, Sie finden den Kerl, der Ihren Brief hat. Gute Nacht, Mister.«
    »Nein!«
    Rose versuchte, Tom am Ärmel festzuhalten, aber der Kanaljäger war schneller. Als Rose die Tür des Kaffeehauses erreicht hatte, war der alte Mann schon verschwunden.

XXXIII
    I m fahlen Licht der Gaslaternen wirkte die Strand gespenstisch düster und wie in fieberhafter Hektik. Die Schaufenster lockten mit tausend grellen Farben, und in die Theater, deren golden-scharlachrote Pforten weit offen standen, strömten Scharen von Menschen. Der Verkehr stockte. Kutschen drängten sich dicht an dicht; Pferde, eingespannt in ihr klapperndes Geschirr, huschten vorüber, den Kopf umhüllt von schimmernd weißen Atemwolken. Droschkenkutscher brüllten einander an. Es war ein wahres Spektakel aus Freundlichkeiten und Rüpeleien. Straßenmädchen zupften Rose am Ärmel und bettelten um ein Glas Gin oder etwas Geld für die Miete. Neben ihm trieb ein Omnibuskutscher seine beiden Pferde an, während der Schaffner wie wild auf das hellgrün gestrichene Dach trommelte. Rose duckte sich noch tiefer in seinen Mantelkragen, den Blick auf seine Stiefel gerichtet, während der bunte Trubel um ihn herum ihn peinigte und ihm sein Elend erst so recht bewusst machte. In der King James’ Lane hätte ihn eine Gruppe feiner Herrschaften in eleganter Abendgarderobe fast über den Haufen gerannt. Ihr rüdes, spöttisches Gelächter gellte ihm noch immer in den Ohren.
    Das kleine Fenster des Pförtnerhäuschens wurde vom behaglichen Lichtschein eines Kohlenbeckens erleuchtet, doch die Pension war dunkel, und ihre rußgeschwärzte Fassade wirkte auch jetzt finster und abweisend. Rose zögerte. Das Herz in seiner Brust war hart wie Stein. Im Gasthof Abbey Dining Rooms würde es warm sein. Samstags gab es dort gekochtes Hammelfleisch und Biskuitkuchen mit Marmelade. Seit dem Frühstück hatte er nichts mehr gegessen, und wenn er zu lange nichts im Magen hatte, bekam er rasende Kopfschmerzen. Es war also ratsam, etwas zu sich zu nehmen. Doch stattdessen ging Rose hinunter zum Fluss und folgte ihm in östlicher Richtung. An der Waterloobrücke entrichtete er dem bis über beide Ohren eingemummelten Zöllner in seinem Häuschen einen halben Penny. Er wollte immer weitergehen, bis die Stadt und dieser jämmerliche, erfolglose Tag mit seiner rußigen Kälte hinter ihm lag. Den Brief hatte er nicht. Wahrscheinlich würde er ihn nie bekommen. Es war ihm nicht einmal gelungen, sich Zugang zu den Abwasserkanälen zu verschaffen. Den

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