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Der Vermesser (German Edition)

Der Vermesser (German Edition)

Titel: Der Vermesser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Ton heraus, und das leichtfertige Geplänkel, das den Mädchen die Wangen erhitzte und sie die Röcke heben ließ, brachte ihn derart aus der Fassung, dass ihm die Röte ins Gesicht schoss. Die anderen Burschen hielten ihn für einen Weichling. Die meisten von ihnen lebten mit einem Mädchen zusammen, seitdem sie zwölf oder dreizehn waren. In dem Haus im Flower Court, wo Tom gewohnt hatte, als er noch mit dem Alten zusammenarbeitete, teilten sich nachts an die neun Paare das Zimmer, und er hatte als Einziger allein in einem Bett geschlafen. Es war schrecklich für ihn gewesen, aber wo hätte er sonst hingehen sollen? Tom bekam nicht mal eine ab, wenn die anderen ihrer Mädchen überdrüssig wurden und sie untereinander tauschten, nicht selten mehrmals bis zum Morgengrauen. Und so lag er im Dunkeln, lauschte dem Rascheln und Kichern und versuchte, auf seiner feuchten Strohmatratze eine Stelle zu finden, wo es nicht juckte und biss. Am Morgen zog er dann den Kopf ein, um den neugierigen Blicken der Mädchen auszuweichen.
    »Du musst ihnen eine Tracht Prügel verabreichen«, hatte ihm einer der Burschen geraten. »Sie wollen’s nicht anders. Die Weiber verknallen sich erst dann in dich, wenn du sie verdroschen hast, und solange die blauen Flecken ordentlich wehtun, denken sie an den Kerl, der sie ihnen verpasst hat.«
    Tom hatte den Rat jedoch nie beherzigt. Er hätte es gewiss getan, wenn sich die Dinge anders entwickelt hätten, aber so weit war er nie bei einer gekommen. Wenn er glaubte, es sei an der Zeit, sie zu verprügeln, war sie schon auf und davon. Und so sparte sich Tom seine Fäuste lieber für die Abwasserkanäle auf. Damals, als ein erbitterter Konkurrenzkampf tobte, musste man schützen, was einem gehörte, sonst war es weg, eh man sich’s versah. Der Rote Joe zum Beispiel. Als der jünger war, hatte er Hundekot für die Gerbereien gesammelt. Und er hatte seine Arbeit gut gemacht, wusste er doch, welche Gerber feuchten, dunklen und welche eher kalkigen Kot schätzten und bereit waren, etwas mehr dafür zu bezahlen. Er hatte so etwas wie eine kleine Werkstatt und mischte seine Beute je nach Kundenwunsch mit Lehm oder Mörtel und rollte daraus dicke kleine Zigarren oder formte lockere Klumpen – je nachdem, welche Mixtur der Gerber für das dunkel glänzende Maroquin einer Herrenbrieftasche oder das zarte Kalbsleder eines Damenhandschuhs bevorzugte. Eine Zeit lang arbeitete er sogar mit den Besitzern von Hundezwingern zusammen, bis die Gerber diesen Kot aufgrund seiner schlechten Qualität nicht mehr haben wollten. Es war ein richtiges kleines Unternehmen.
    Doch es sollte nicht von Dauer sein. Als die Eisenbahn kam, platzte London bald aus allen Nähten, und auf einmal wurde die Arbeit knapp. So viele waren plötzlich hinter dem Hundekot her, dass sie sich um jedes kleinste bisschen prügelten, und manchmal lagen schon zwei oder mehr Kotsammler auf der Lauer, wenn sich ein Hund auch nur hinkauerte, um sich auf das zu stürzen, was er hinterließ. Auch die Gerber waren keineswegs auf den Kopf gefallen. Sie wussten, dass hundert Hundekotverkäufer auf einen Abnehmer kamen und einander das Geschäft streitig machten. Hatte Joe früher zwei Shilling für einen Eimer bekommen und mindestens einen Eimer pro Tag gesammelt, so konnte er, als die Iren wie ein Heuschreckenschwarm über die Stadt herfielen, von Glück reden, wenn er alle fünf Tage einen Eimer zusammenbrachte und dafür zehn Pence bekam. Da hatte er bereits neun Kinder. Wäre der Alte nicht gestorben und hätte Tom nicht einen Partner für seine Streifzüge durch die Kloaken gesucht, wäre Joe in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Das war ihm durchaus bewusst. Sie redeten zwar nicht darüber, wie sie überhaupt nicht viel redeten, aber Tom wusste, dass Joe ihm dankbar war. Joe war der Erste, der ihm jeden Gefallen tun würde, wenn er ihn darum bat. Aber Tom hatte es bisher nie darauf ankommen lassen. Und so merkwürdig es klang, er war Joe ebenfalls dankbar, auf seine Weise. Da er keine eigene Familie hatte, war Joes Familie die seine geworden, und er konnte sie besuchen, wann immer er wollte. Tom hatte sogar eine Weile bei ihnen gewohnt, bevor der Schneider mit seiner Familie eingezogen war und den von Tom genutzten Platz als Werkstatt beanspruchte. Einmal, als Tom in diesem überfüllten Zimmer in St. Giles saß, den Teller mit dem Abendbrot auf den Knien, ringsum der Lärm und das Treiben der Familie, und beobachtete, wie Joes beide

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