Der Vermesser (German Edition)
Woche.
Am Donnerstag hatte er noch immer keine Nachricht von Hood. An jenem Abend saß William in seiner Schreibnische, lange nachdem der letzte Ingenieur nach Hause gegangen war, und starrte in sein Notizheft. Er hatte gehört, wie ein Mann starb.
Ertränkt?,
schrieb er. Und darunter:
Oder erwürgt?
Erst viel später, als er das leise Röcheln des Mannes immer und immer wieder in seinem Gedächtnis wachrief, erkannte er, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er strich die beiden Sätze durch, dachte einen Augenblick nach und schrieb dann mit dickem schwarzem Bleistift, indem er sehr fest aufdrückte:
Kehle durchgeschnitten.
Das unterstrich er zwei Mal.
Lange starrte er auf die Wörter, die er geschrieben hatte. Am liebsten hätte er die Zeit angehalten, damit er still hier sitzen bleiben konnte, während die Stimmen in seinem Kopf verstummten. Damit er niemals mehr aufstehen, seinen Mantel anziehen und nach Hause zurückkehren musste, um erneut den Ausdruck von Abscheu und Entsetzen zu sehen, der sich in ihre weichen Gesichtszüge eingegraben hatte. Aber die Zeit ließ sich nicht anhalten, die Stimmen ließen sich nicht zur Ruhe bringen. Und schließlich, als die Kerze heruntergebrannt war und sich der schmierige Talg in einer dicken Lache auf dem Kerzenhalter gesammelt hatte, schrieb William die Worte nieder, die er bis zu diesem Augenblick nicht zu denken gewagt hatte.
Sie glaubt, ich hätte ihn getötet.
Lange saß er da, den Bleistift über dem Blatt, während sich die Worte, die er als Nächstes niederschreiben würde, in seinem Kopf zusammenballten. Mit zittriger Hand drückte er den Bleistift aufs Papier, und die Buchstaben, die er schrieb, waren krakelig und dünn.
Habe ich ihn getötet?
»May!«
Hastig schob William das aufgeschlagene Notizheft unter einen Papierstapel und rappelte sich hoch. Lovick spähte über die Wand seiner Schreibnische; seine Lesebrille funkelte im schummrigen Licht.
»Sir?«
»Immer noch hier? Es ist schon spät. Sie sollten heim zu Ihrer Familie.«
William lächelte gequält. Wieder einmal versetzte ihn der Gedanke an seinen Sohn in Unruhe, und es sträubten sich ihm die Nackenhaare. Selbst der Anblick einer seiner am Boden liegen gebliebenen Spielsachen rief ein Gefühl des Unbehagens in ihm hervor, ohne dass er einen Grund dafür hätte nennen können. Zu Hause war seine Angst um den Jungen so groß, dass er ihn am liebsten immer um sich haben wollte. Nachts sehnte er sich danach, ihn bei sich und seiner Frau im Bett zu haben, aber Polly hielt den Kleinen ganz bewusst von seinem Vater fern. Wenn William etwas zu ihm sagte, glaubte er, Furcht in seinem Blick zu erkennen, die Williams Unruhe nur noch schlimmer machte.
»Ja, Sir.«
»Also dann, gute Nacht.«
»Gute Nacht, Sir.«
William wartete. Er hörte, wie Lovick den Schreibern sein »Gute Nacht« zumurmelte und die Treppe hinunterging. Dann zog er den Papierstapel zu sich heran und holte das Notizheft darunter hervor. Zufällig erwischte er auch ein Blatt Papier mit dem Schriftzug
England & Son
auf dem Briefkopf. Und plötzlich durchfuhr es ihn. Die diffuse Unruhe verdichtete sich zu einem Strudel, der durch seine Eingeweide jagte. An jenem Abend war er England begegnet. Es war zu einem Streit gekommen. England hatte gedroht, Williams Sohn etwas anzutun. Sein Sohn war in Gefahr. Mit fliegender Hast warf William sein Notizheft in die Schublade, schloss ab und zog den Schlüssel heraus. Er musste nach Hause. Sein lädiertes Bein nachziehend, humpelte er, so schnell er konnte, aus dem Zimmer, und er war fast schon die Treppe unten, als es ihm dämmerte. Seit jenem Abend waren mehr als zwei Wochen vergangen. Der Vertrag mit Strowbridge war zwei Tage nach dieser Begegnung abgeschlossen worden. Wenn England vorgehabt hatte, Williams Sohn, ihm selbst oder seiner Frau etwas anzutun, wäre das längst passiert. William beruhigte sich ein wenig. Vielleicht hatte England nie die Absicht gehabt, seine Drohung wahr zu machen. Er wollte William sicher nur Angst einjagen, damit er ihm den Auftrag gab. Aber den Auftrag hatte eine andere Firma bekommen. Welchen Sinn hatte es für England jetzt noch, seinen Ruf aufs Spiel zu setzen und Williams Familie zu zerstören? Dafür war es jetzt zu spät. Sein Sohn war außer Gefahr.
Und dennoch. Die Hand auf dem blank polierten Geländer, blieb William stehen. Nachdenklich machte er kehrt und ging wieder nach oben.
In Hawkes Büro war es dunkel. Im fahlen Licht der Straßenlaterne schrieb
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