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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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unmöglich schien, dass sie in Wirklichkeit
    noch gar nicht existierten. Das Haus in Lambeth. Ganz vorsich-
    tig stellte er sich an den Fuß der Treppe, die Hand auf dem Ge-
    länder, und atmete den vertrauten Geruch ein. Noch besaß er
    nicht den Mut, einen Blick in die Küche zu werfen oder seinen
    Sohn ausfindig zu machen. Aber er ließ seine Gedanken zu Polly
    schweifen und sah ihren dicken schwangeren Bauch vor sich. Ein
    unbändiges Verlangen ergriff ihn, seine Frau und sein ungebo-
    renes Kind in die Arme zu schließen. Aber vielleicht war ja das
    Baby schon da. Tränen stiegen in ihm auf und milderten den bit-
    teren Geschmack in seinem Mund. Vielleicht war es ein Mäd-
    chen. Lily Rose. Morgen, gleich in der Früh, würde er jemanden
    nach dem Tag fragen. Vielleicht würde ihm Polly morgen eine
    Nachricht schicken. Vielleicht würde sie sogar kommen, ihn
    ohne Abscheu ansehen, die Arme ausbreiten und ihn an sich
    drücken. Sie würde ihn auf die Stirn küssen, auf die Augenlider
    und Handteller, so, wie sie Di küsste, wenn er auf ihrem Schoß
    saß, und sie würde ihm verzeihen. Als sich William schließlich

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    von dem eisigen Boden erhob, um sich unter der von Erbroche-
    nem durchtränkten Decke zu wärmen, das Gesicht verkrustet,
    auf der Wange Brandblasen, schimmernd wie weiße Tränen, ver-
    zogen sich seine Lippen zu einem zaghaften Lächeln.
    Am Morgen kam Vickery, wie gewöhnlich fahlgelb im Gesicht
    und mit dunklen Schatten unter den blutunterlaufenen Augen.
    Mit großer Sorgfalt verabreichte er das Chloral, den Kopf hoch
    aufgerichtet, als fürchtete er, er könne ihm hinunterfallen. Als er
    an Williams Bett trat, befahl er ihm in harschem Ton aufzuste-
    hen. Peake werde ihn in den Waschraum bringen, wo man ein
    warmes Bad für ihn habe einlaufen lassen. Voller Angst, man
    bringe ihn zur Brause, schaute William ungläubig auf die
    Wanne. Sogar ein abgenutztes Stück Seife war vorhanden. Als er
    sich das dreckige Hemd vom Leib riss, zuckte er zusammen. Die
    Arme zu heben bereitete ihm Schmerzen. Über die rechte Seite
    seiner Brust zogen sich violette Blutergüsse, und sein Gesicht
    brannte, als er es mit Wasser bespritzte. Peake besah sich gleich-
    gültig die Verletzungen, bevor er sich lässig an die Wand lehnte
    und mit dem Zeigefinger in der Nase bohrte. Als Vickery eintrat,
    war das Badewasser bereits kalt. Eilig wischte sich Peake den Fin-
    ger am Hosenbein ab und nahm Haltung an. Vickery schickte
    ihn weg.
    »Hier«, murmelte Vickery, ohne William in die Augen zu se-
    hen. »Ich dachte ... vielleicht interessiert es dich. Aber nur hier
    drin. Wenn ich dich im Schlafsaal damit erwische, gibt̕s Einzel-
    haft.«
    Auf halbem Weg zur Tür warf er ein zerlesenes Exemplar des
    Morning Herald auf den einzigen Stuhl. Die Seiten waren schon
    zerrissen, die Buchstaben verschmiert. Williarn nahm die Zeitung
    in die Hand. Seine Augen waren des Lesens entwöhnt, und er
    musste sich zwingen, sich auf die kleine Schrift zu konzentrieren.
    Zuerst sah er auf das Datum. 14. Januar 1859. Ein neues Jahr. Weih-

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    nachten war vorübergegangen, ohne dass er es bemerkt hatte. Er
    wurde müde und wollte das Blatt schon wieder zusammenlegen,
    als ein Artikel auf Seite fünf seine Aufmerksamkeit erregte.

    MÖRDER VON ERMITTLERN EINGEKREIST

    Polizeibeamte, die im Zusammen-
    zogen, was darauf schließen lässt,
    hang mit dem Tod des Londoner
    dass sie unmittelbar nach dem
    Ziegeleibesitzers Alfred England
    Mord im städtischen Abwassersys-
    ermitteln, dessen Leiche vor zwei
    tem versteckt wurde. Das Gesicht
    Tagen aus der Themse geborgen
    war derart entstellt, dass die Leiche
    wurde, haben bestätigt, dass der
    nur anhand der Initialen auf Mr.
    Geschäftsmann Opfer eines Mor-
    Englands Hemd und Unterwäsche
    des wurde. Obwohl keine näheren
    identifiziert werden konnte.
    Einzelheiten genannt wurden, be-
    Als Mr. England, dessen Ziege-
    stätigte ein leitender Kriminalbe-
    lei sich in einer schweren finan-
    amter gegenüber dieser Zeitung,
    ziellen Krise befand, in der Nacht
    dass man Mr. England die Keh-
    zum 16. Dezember ohne Vor-
    le durchgeschnitten hatte. Darü-
    ankündigung verschwand, nahm
    ber hinaus wurden an Brust und
    man zunächst an, er sei vor sei-
    Schultern zahlreiche Wunden fest-
    nen Gläubigern geflohen. Scot-
    gestellt, die auf Gewaltanwendung
    land Yard zeigte sich zuversicht-
    hinweisen. Die Leiche wurde durch
    lich, dass der Täter schon bald
    Ratten stark in Mitleidenschaft

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