Der Vermesser
sie solle zu ihm kommen. Er
hatte nicht anders gekonnt. Und auch als sie längst verschwun-
den war, hatte er noch gerufen, so laut, dass er davon aufwachte.
Als er, nach Luft ringend, die Knie an die Brust drückte, schnitt
ihm der Schmerz scharf wie ein Messer in die Kehle.
Jetzt, in der Dunkelheit der Abwasserkanäle, schluckte Tom.
Er hatte sich nicht getäuscht. Hier unten sah er alles ganz klar. Er
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zog den Kopf ein, als der Tunnel anstieg und ihm die Decke bis
zu den Schultern reichte, bevor sie wieder höher wurde. Das
Päckchen befand sich immer noch hier hinter dem Steinblock,
genau an der Stelle, wo er es hingelegt hatte. Einen Kerl wie die-
sen Captain musste man mit seinen eigenen Waffen schlagen.
Man musste alles gegen ihn einsetzen, alles, was man in Händen
hatte, selbst wenn man gar nicht genau wusste, was es war, und
hoffen, dass es ihn traf. Ihn so tief in seine eigene Scheiße tau-
chen, dass er erstickte, bevor er recht begriff, was los war. Und
dann weglaufen, so schnell man konnte.
Rose hatte gesagt, Tom könne in einem kleinen Kaffeehaus
unweit des Temple-Bezirks eine Mitteilung hinterlassen, falls
ihm noch etwas einfiele. Zuerst hatte er seine Kanzlei, wie noble
Anwälte offensichtlich ihr Büro nannten, als Treffpunkt vorge-
schlagen, aber etwas an Toms Gesichtsausdruck hatte ihn bewo-
gen, sich rasch einen anderen Treffpunkt einfallen zu lassen: das
Kaffeehaus, das wegen des ständigen Verkehrs auf dem Fluss
rund um die Uhr geöffnet war. Tom konnte dort hinterlassen,
wo und wann immer er sich mit Rose treffen wolle. Zu jeder Ta-
ges- und Nachtzeit.
Er schickte Joe, um dem Anwalt die Schriftstücke zu über-
bringen, eingeschlagen in ein altes Stück Stoff und verschnürt
mit einem Bindfaden. Zuerst hatte Tom sich überlegt, sie dem
Anwalt heimlich zukommen zu lassen, sie ihm einfach vor die
Tür zu legen, so dass er sie am nächsten Morgen finden würde –
ein Geschenk von einem wohlmeinenden Gönner, der anonym
zu bleiben wünschte. Aber diese Unterlagen waren alles, was er
besaß. Er konnte sie nicht einfach so hergeben, selbst wenn sich
herausstellen sollte, dass es nur Schneiderrechnungen waren.
Doch Tom hatte auch nicht die Absicht, sich dem Gericht gewis-
sermaßen als Beilage zum Hauptgang zu präsentieren. Und so
bestand er darauf, dass Joe sich das kupferrote Haar mit Ruß
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schwarz färbte und sich bis zu den Ohren einmummelte, damit
ihn der Anwalt nicht erkannte; aber seine Augen unter dem
schmutzigen Schal funkelten, und er scheuchte Toms wieder-
holte Ermahnungen wie einen Schwarm lästiger Fliegen beiseite.
»Ich hab̕s kapiert, du Blödmann,« grinste er. »Is ja wirklich
nicht so schwer. Ich zeig also diesem Rose die Schriftstücke.
Wenn er Interesse hat, sag ich ihm, dass er sie kriegt, sobald du
deinen Hund wiederhast.«
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XXX
D ie Daumen des Fremden hoben sich schwarz von dem creme-
farbenen Brief ab. Obwohl er auf offiziellem Papier geschrieben
und der Name der Firma als Briefkopf in hübschen schwarzen
Lettern eingraviert war, hätte ein Schulmeister keine Freude da-
ran gehabt. Die krakeligen Buchstaben waren verschmiert und
so hastig aufs Papier geworfen, dass verschiedentlich die Wörter
durch Tintenkringel ineinander flossen. An ein, zwei Stellen hat-
te die Feder gekleckst. Einen Umschlag gab es nicht. Die Rück-
seite wies rostbraune Streifen auf und war übersät mit bläulich
schwarzen Flecken, die auf Schimmel hinwiesen. Zweifellos
hatte man den Brief oft angefasst. Die Faltkanten waren tief und
faserig und schimmerten im rußigen Schein der Öllampe grau.
Das Tuch, in das der Brief und die anderen Schriftstücke einge-
wickelt waren, starrte vor Schmutz und r c
o h unangenehm nach
Exkrementen.
Der Junge aus dem Kaffeehaus hatte kurz nach ein Uhr
nachts an die Tür geklopft. An jenem Abend hatte Rose den
Wirt gebeten, ihn unverzüglich zu benachrichtigen, falls eine
Botschaft, egal welcher Art, für ihn eintreffen sollte. Aber er
wusste, dass er ohnehin keinen Schlaf finden würde. Doch bis
er wieder zu Hause war, hatte sich seine Aufregung gelegt. Ge-
wiss, es war ein unglaublicher Zufall. Aber Rose war dadurch
keinen Schritt weitergekommen. Hawke hatte sich durch Be-
trug einen Hund angeeignet. Das jedenfalls behauptete der Ka-
naljäger, und offen gesagt war Rose skeptisch, ob der Mann mit
der Wahrheit auf gutem Fuß stand. Dieses Gesicht mit dem
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verschlagenen
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