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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Füße wie Monsieur Blondin bei einem Hochseil-
    akt. Brassey war mächtig stolz auf seine Füße. Sein schwarzer
    Rock hatte zwar längst eine grünliche Patina angenommen und
    glänzte an den Ellbogen speckig, aber er trug elegante Schuhe,
    handgearbeitet aus feinstem italienischem Leder. Eine Holz-
    planke, die an der Wand im Flur lehnte, diente ihm aîs Steg
    durch den Matsch, damit er sich die Schuhe nicht schmutzig
    machte, falls er einmal nach draußen musste. Er warf oe
    J
    einen
    finsteren Blick zu.
    »Ich hoffe, ihr habt genügend von diesen Viechern!«, sagte er
    unwirsch und stieß den untersten Käfig mit der Schuhspitze an.
    Sein breiter Mund wies auffallend wenig Zähne auf.

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    »Genau hundertfuffzig«, versicherte Tom ihm gelassen.
    »Paar richtig große Brocken sind auch dabei«, ergänzte Joe
    von seinem Ruheplatz auf

    der Treppe. »Die Köter werden ̕ne
    Menge zu tun haben.«
    »Will ich euch a ch
    u
    geraten ha en
    b
    ,
    « erwiderte rohend
    d
    der
    Wirt. »Die Leute erwarten heute Abend ganz was Besonderes.«
    Joe machte ei e
    n Kopfbewegung zu dem großen Anschlag an
    der Wand. Seine Augen funkelten boshaft.
    »Sie glauben wirklich, die Leute werden nicht enttäuscht,
    Chef?«, fragte er gedehnt. »Wie̕s heißt, hat sich Ihr so genannter
    Gentleman längst aus dem Staub gemacht und seine wertvolle
    Uhr beim Pfandleiher versetzt.«
    Das Pfandstück, von dem Joe sprach, war eine goldene Repe-
    tieruhr, deren Zeichnung das Plakat zierte, denn viele der leiden-
    schaftlichen Wetter hatten weder lesen noch schreiben gelernt.
    Wer die Mitteilung entziffern konnte, die abwechselnd in einer
    steilen Handschrift und mit fetten Großbuchstaben geschrieben
    war, entnahm ihr, dass die Uhr als Siegprämie winkte für denje-
    nigen Hund mit einem Gewicht unter acht Pfund, der als erster
    in einer einzigen Minute mehr als fünfzehn Ratten totbiss. Der
    großzügige Spender der Uhr nannte sich einen wettbegeisterten
    Gentleman und entschiedenen Kämpfer für die Vernichtung der
    schädlichen Brut. Die Hunde sollten um halb zehn gewogen wer-
    den, damit der Kampf pünktlich um halb elf beginnen konnte. Für
    Tom war die Schrift nur ein Wirrwarr aus Strichen und Linien.
    »Aber keine Sorge, Mr. Brassey«, fuhr Joe fort. »Es heißt, drü-
    ben im King̕s Head ist es immer brechend voll. Am besten, wir
    bringen die Viecher gleich rüber, was meinst du, Tom?«
    Joe zog sich träge an dem rissigen Treppenpfosten hoch und
    legte eine Hand auf den obersten Käfig. Kreischend drückten die
    Ratten ihre Schnauzen ans Gitter und entblößten ihre gelben
    Zähne. Tom wandte den Blick ab.

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    Mr. Brassey funkelte Joe böse an und wippte auf den Zehen-
    spitzen.
    »Die Uhr ist nicht verpfändet«, fauchte er ärgerlich. »Und
    selbst wenn, wär̕s egal. Die Uhr ist nur so was wie ̕ne Kostprobe.
    Für die drüben im King̕s Head, ja, für die war sie vielleicht was
    Besonderes, aber das Publikum, das in mein Lokal kommt, gibt
    sich nicht mit solchen Kleinigkeiten ab.«
    »Tatsächlich? Dann sind also hier nur feine Leute?«
    »Nur erstklassige Gäste«, gab Mr. Brassey mit stolzgeschwell-
    ter Brust zurück.
    »Richtige feine Herren, was?«
    Tom hob die Hand. Er wusste aus Erfahrung, dass ]oe den
    Wirt in eine Richtung drängen wollte, die dessen Eitelkeit gewiss
    nicht schmeichelte. Und Tom hatte keine Lust, einen Kunden zu
    verlieren.
    »Sobald wir unser Geld haben, verschwinden wir«, sagte er,
    mundfaul wie gewöhnlich.
    Mit einem w t
    ü enden Blick auf Joe wühlte Brassey i
    n seiner
    Hosentasche.
    »Hier«, sagte er und zählte mit großer Geste Münzen in Toms
    ausgestreckte Hand. »Einen Penny pro Paar.«
    Tom nahm das Geld, steckte es in eine Innentasche seiner- Se-
    geltuchjacke und streckte ihm erneut die Hand hin.
    »Einen Penny pro Tier. Wie abgemacht.«
    »Für diese räudigen Viecher?« Brassey st eß
    i
    Toms Hand zu-
    rück. »Ein halber Penny ist mehr als genug.«
    Tom zuckte die Achseln. Er nickte Joe zu, der sich den ersten
    Käfig auf die Schulter hievte.
    »Im King̕s Head kriegt ihr uch
    a
    nicht mehr, das garantiere ich
    euch«, polterte der Wirt.
    Joe schulterte den zweiten Käfig. Brassey verzog keine Miene,
    aber seine Füße in den feinen Schuhen wippten nervös. Mit einer

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    Kopfbewegung zu den beiden noch verbliebenen Käfigen ging
    Tom auf die Tür zu. Brassey klimperte mit den restlichen Mün-
    zen in seiner Tasche, als wären es glühende Kohlen.
    »Schon gut, schon gut.« Der

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