Der Vermesser
müssen.
Die Nacht war klar, und über den tiefschwarzen Himmel zo-
gen die Sterne wie Aschestaub. Tom spürte eine innere Unruhe,
die ihn keinen Schlaf würde finden lassen. Langsam und ohne so
recht darauf zu achten, wohin er lief, wanderte er zurück Rich-
tung Soho. In seinem Kopf wirbelten Erinnerungen durcheinan-
der, und erst eine Weile später merkte er erschrocken, dass er vor
dem Torbogen zur Hawker Lane stand. Hinter ihm auf der
Broad Street glänzte und funkelte das Golden Hind, dessen Glas-
türen einladend offen standen. In Toms versteckter Jackentasche
klimperten Münzen. Vor ihm schlug ein zerlumpter Junge mit
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einem blauen Auge ein Rad und verlangte ein paar Pennys für
seine Darbietung. Ein Fuß steckte in einem alten Schuh, dessen
Oberseite, über dem Spann aufgerissen, von einem schmutzigen
Band zusammengehalten wurde, der andere in einem alten Da-
menstiefel. Ohne seine Bettelei weiter zu beachten, tauchte Tom
ins Gassendunkel ein und steuerte auf das Black Badger zu.
Es war lange her, dass er sich einen Kampf angesehen hatte, doch
seit damals, als er regelmäßig hierher gekommen war, hatte sich
nichts verändert. An der langen Theke im Erdgeschoss saßen
dicht gedrängt Männer aller Art, die rauchten, tranken und über
Hunde debattierten. Auf Tischen und Bänken wurden Hunde
vorgeführt, damit diejenigen, die Wetten abschließen wollten,
sie begutachten, ihre Pfoten betasten, ihnen in die Augen und
ins Maul sehen konnten. Ein Omnibusfahrer, den runden Hut
schief auf dem Kopf, schlug mit der Faust auf einen wackeligen
Tisch und funkelte einen Straßenhändler mit plüschigem Käpp-
chen und grüner, senfgelb geblümter Halsbinde böse an. Auf
den Knöpfen des sandfarbenen Kordwamses, das der Straßen-
händler trug, prangte ein Fuchskopf, und unterm Arm hielt er
einen Skyeterrier, der wie ein Fisch zappelte. Zwei Kutscher in
vornehmer Livree standen an den Tresen gelehnt und suchten
möglichst unauffällig den Schankkellner auszuhorchen, aufwei-
che Hunde der Wirt an diesem Abend wohl setzen würde. Da-
bei ließen sie sich auch von einer Gruppe Soldaten nicht beirren,
deren Augen so rot waren wie ihre ungepflegten, aufgeknöpf-
ten Uniformröcke. Im Schankraum drängten sich Krämer und
Eisenhändler, die sich einen Gehrock über ihre Arbeitskleidung
gestreift hatten, Matrosen mit roten Mützen, graugesichtige
Müllmänner und hohläugige Schneider. Tom stieß mit einem al-
ten Mann in einem geflickten Rock zusammen, wie ihn Bauern
trugen, nur dass sein ungekämmtes Haar rußverschmiert war.
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Er habe, so erzählte er Tom, an diesem Vormittag seinen Mantel
für zwei Shilling verkauft. Wenn die Hunde und die Götter ihm
gewogen wären, würde er sich morgen einen besseren besorgen.
Im ersten Kampf ging es um die goldene Uhr, wobei sich Bras-
sey darüber ausschwieg, ob er sie beim Pfandleiher hatte auslö-
sen müssen. Sie war die Siegprämie für denjenigen Hund, der am
schnellsten fünfzehn Ratten totbiss. Die Männer tauschten sich
flüsternd aus, befühlten mit derben Fingern die frischen Narben
der Hunde und stellten mitunter nicht immer wohlmeinende
Vergleiche mit gefeierten Siegerhunden an, die längst nicht mehr
kämpften oder schon tot waren. Das wiederum empörte manche
Hundebesitzer, deren Mantelhaare sich sträubten wie das Fell
eines gereizten Katers, während sie überschwänglich die glorrei-
chen Kämpfe ihrer Hunde beschworen. Das Hauptereignis des
Abends, für das bereits hohe Wetten abgeschlossen wurden, soll-
te der Kampf eines Hundes namens Butcher gegen vierzig Rat-
ten sein. Nach und nach erstarben die Gespräche. Geld wechselte
den Besitzer, bisweilen hohe Beträge. Ein Straßenhändler, des-
sen Gesicht den Kartoffeln ähnelte, die er verkaufte, setzte zwan-
zig Pfund darauf, dass Butcher in drei Minuten vierzig Ratten
schaffte. Auf einem Stuhl neben der Tür sitzend, einen elegant
beschuhten Fuß über das Knie gelegt, strich Brassey über die Är-
mel seiner sp
eckigen schwarzen Jacke und zog eine große Uhr
aus der Westentasche.
Allmählich wurden die Hunde unruhig. Einer, eine Bulldogge
mit Augen so rotbraun wie rohe Leber, knurrte Tom an, als er
vorbeiging, und zerrte unbändig an der Kette, als würde er ihm
am liebsten die Kehle durchbeißen. Sein muskulöser Körper war
mit bläulichen Narben übersät, und seine Stirn wölbte sich be-
drohlich vor, als er die Zähne fletschte, die
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