Der Vermesser
Dachschiefer
notdürftig geflickt. Fremde hätten sich schwer getan, auf der
Vorderseite einen Eingang zu finden, denn anstelle einer Tür gab
es nur eine dicke Eisenplatte mit Rostflecken, die dreißig Zenti-
meter tief in den schlammigen Boden gerammt und mit der
Strebe eines Treppengeländers versperrt war. Man hätte meinen
können, es sei ein verlassener Ort.
Das Badger unterschied sich in jeder nur erdenklichen Hin-
sicht von der prächtigen Taverne, die das Auge am östlichen Ende
der Broad Street blendete. Die spiegelnden Glasfenster des Gol-
den Hind waren mit Stuckrosetten verziert und von unzähligen
Gasflämmchen erleuchtet, die in ihren reich vergoldeten Haltern
mit solch verschwenderischer Üppigkeit Glanz verbreiteten, dass
die Fenster in Flammen zu stehen schienen. Die Pracht eines sol-
chen Palastes – die aufwendige Verzierung der Brüstung und die
illuminierte goldene Uhr, die die Viertelstunden schlug, die glit-
zernden Spiegel, umrahmt mit geschnitzten prallen Weintrau-
ben und Jasminranken, die glänzende Mahagonitheke und das
fröhliche Funkeln der Gläser – schlug den Vorübergehenden wie
ein greller Willkommensgruß entgegen, auf dass niemand die
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Last der Münzen in seiner Tasche auch nur eine Minute länger
als nötig trage. Und viele waren es, die sich verführen ließen, um
es danach zu bereuen. Das Black Badger dagegen duckte sich in
Dunkelheit und Morast, die Hände tief in den Taschen vergra-
ben. Es pfiff nicht vor sich hin, ja, räusperte sich nicht einmal.
Ihm war nicht an Aufmerksamkeit gelegen. Seine Kunden wuss-
ten, wo es zu finden war und was sie dort erwartete. Wer mit
dem Badger zu tun hatte, kannte und schätzte diese Unauffällig-
keit, weil er am liebsten genauso unauffällig seinen Geschäften
nachging, so
fern er nicht gerade vor den Vertretern der Obrig-
keit auf der Flucht war.
Und die Leute strömten in hellen Scharen und aus allen Rich-
tungen ins Black Badger. Wenn sie durch den Türspalt an der
rechten Flanke der Taverne hereingelassen wurden, störten sie
sich nicht an der rauchgeschwärzten Tapete in der Schankstube
und der stumpfen Glanzlosigkeit der ramponierten Zinnkrüge.
Natürlich kamen sie auch hierher, um zu trinken. Abend für
Abend hoben sie im Rhythmus der Kolben einer Dampfma-
schine die Bierkrüge und Gläser mit Gin und heißem Wasser an
die Münder und setzten sie wieder ab. Ihre Blicke und ihre Auf-
merksamkeit galten jedoch nicht allein dem Boden ihrer Krüge.
Diese Männer – Straßenhändler, Soldaten, Kutscher und Laden-
besitzer – kamen aus einem anderen Grund in das Black Badger:
Sie wollten Wetten abschließen. Sie kamen des Kampfes wegen.
Sie waren auf den Kampf versessen.
Tom und Joe traten, ohne anzuklopfen, durch die Seitentür
ein und stellten die Käfige am Fuß der Treppe ab. Zum Trans-
port der Tiere benutzten sie die weniger auffälligen, kleineren
Käfige. Der penetrante Hundegeruch in dem engen Vorraum
vermischte sich mit den schwächeren Dünsten von Staub, tro-
ckener Fäulnis, Tabak und schalem Bier. Hinter dem Drahtgitter
schoben und drängelten sich aufgeregt die Ratten, krabbelten
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nervös übereinander, quiekten und scharrten, um etwas von den
Düften zu erschnuppern. Gegenüber der Treppe lag der Eingang
zur Gaststube. Durch die geschlossene Tür, die zerkratzt und
unten völlig abgeschabt war, drang leises Gemurmel, das sich
anhörte wie das Rattern von Wagenrädern auf Pflastersteinen.
Tom machte dreimal ein kurzes Klopfzeichen, während sich Joe
auf die unterste Treppenstufe hockte. Er schob die Mütze tief in
die Stirn und ließ sich dann auf die Ellbogen zurücksinken. Der
Treppenpfosten war voller Bissspuren. An die Wand gelehnt, ließ
Tom die Tür nicht aus den Augen. Prompt ging sie einen Spalt-
breit auf und wieder zu. Tom erhaschte den vertrauten Blick auf
eine zerknautschte Mütze. Joe gähnte und st e
r ckte die ein
B
e aus.
Sein Backenbart schimmerte im dämmrigen Licht kupferrot.
Es dauerte weitere zehn Minuten, ehe der Wirt aus der
Schankstube kam und sie begrüßte. Frank Brassey war ein Kerl
mit einem Brustkorb wie ein Ringer und platt gedrückter Nase.
Sein Kopf schien direkt aus den Schultern hervorzuwachsen,
ohne sich um etwas so Überflüssiges wie einen Hals zu scheren,
doch er hatte schlanke Beine, und im seltsamen Kontrast zu sei-
ner Statur bewegte er sich tänzelnd auf den Ballen seiner klei-
nen spitzen
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