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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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zweimal, ja.«
    »Aber beim Ausstopfen haben sie sie ganz schön vermurkst,
    stimmt̕s?«, fuhr der Mann gut gelaunt fort und zeigte seine
    Zahnlücken. »Der Kopf ist ja viel zu kurz. Was war das für ein
    Hund!
    ,
    Einmal das s
    i t jetzt schon Jahre her, kurz nachdem ich
    angefangen habe ...«
    Tom erfuhr nicht, was der Mann angefangen hatte. Urplötz-
    lich, als hätte sich eine Schleuse geöffnet, strömten die Männer
    aus der Schankstube hinaus. Tom folgte ihnen die abgetretenen
    Stufen der Treppe hoch. Oben angelangt, warf jeder einen Shil-
    ling in die Schachtel, die Brassey bereithielt. Tom bezahlte sein
    Eintrittsgeld und nickte Brassey zu, doch der Wirt bedeutete
    ihm nur mit einer hektischen Handbewegung, dass er weiterge-
    hen solle.
    In dem Raum im oberen Stock waren die Fensterläden ge-
    schlossen, und die Lampen in den Ecken verbreiteten ein so grel-
    les Licht, dass einem die Augen wehtaten. In der Mitte befand sich
    der Kampfplatz, eine runde, weiß gestrichene Holzarena, hüft-
    hoch und von zweieinhalb Meter Durchmesser. Ein Kreidekreis
    von etwa dreißig Zentimeter Durchmesser, der auf die nackten
    Holzdielen gemalt war, markierte den Mittelpunkt des Rings. Die
    Zuschauer lehnten sich an die Arenawände oder kletterten auf die
    Tische dahinter, um besser sehen zu können. Die Hunde winsel-

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    ten und sabberten. Es herrschte dichtes Gedränge, das Publikum
    war aufs Äußerste gespannt. Im allgemeinen Tumult schrie im-
    mer wieder jemand, dass der Kampf endlich beginnen solle.
    Brassey blieb zunächst in der Tür stehen und trat nervös von
    einem Fuß auf den anderen. Mit besorgtem Blick betrachtete er
    die unbesetzte Nische in der Wand, wo drei verschiedenartige
    Lehnstühle aufgestellt waren. Aber vom Captain und von seinen
    Freunden war weit und breit nichts zu sehen. Brasseys Gehilfe
    sah seinen Herrn erwartungsvoll an, doch der runzelte nur die
    Stirn. Erneut zog er seine Uhr heraus. Hinten im Raum hob ein
    Sprechchor an. Andere klatschten ungeduldig in die Hände.
    Nach einem letzten unwilligen Blick zur Treppe nickte Brassey
    seinem Gehilfen zu und schloss die Tür.
    Als der erste Käfig hereingebracht wurde, johlten die Zu-
    schauer vor Begeisterung. Der Junge stellte den Käfig mit großer
    Geste in der Kampfarena ab, umtänzelte ihn und versetzte so die
    Männer in einen wahren Fiebertaumel, bevor er die Falle auf-
    klappte, als wäre er der Zauberkünstler beim Derby Day in Ep-
    som. Einen Augenblick lang geschah nichts. Dann ergoss sich
    eine wahre Flut von Ratten in den Ring. Sie flitzten über den
    weißen Fußboden, um sich an der hintersten Wand zu einem
    wimmelnden Haufen zusammenzudrängen. Unbestreitbar gro-
    ße Tiere, dachte Tom mit einem Gefühl der Genugtuung. Der
    schwüle Geruch sommerlicher Aborte stieg von ihnen auf. So-
    bald die Hunde die Ratten witterten, gerieten sie ganz aus dem
    Häuschen, bellten wie wild und versuchten sich zappelnd aus
    den Armen ihrer Besitzer zu befreien. Der Lärm war ohrenbe-
    täubend.
    Brassey kletterte auf einen Tisch, bat schreiend um Ruhe und
    verkündete die Spielregeln des Hauses. Jedem Hund könne ein
    Sekundant zur Seite stehen, der sich aber nur innerhalb des mar-
    kierten Bereichs des Kampfplatzes aufhalten dürfe. Wer einen

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    Hund oder eine Ratte berühre oder sich auf irgendeine Weise re-
    gelwidrig verhalte, dessen Hund werde sofort disqualifiziert. Die
    Zeitvorgaben seien genauestens einzuhalten. In strittigen Fällen
    obliege es dem Schiedsrichter zu entscheiden, ob eine Ratte noch
    lebe oder bereits tot sei. Als Brassey seine kurze Ansprache been-
    det hatte, schwoll der Tumult erneut an. Er n
    e
    ickt seinem Gehil-
    fen abermals zu und nahm am oberen Ende der Arena Platz.
    Im nächsten Moment sprang ein Mann mit einem großen
    Terrier in den Ring. Hund und Sekundant trugen einen borsti-
    gen Pelz von gräulicher Farbe. Der Hund wand sich so aufgeregt
    in den Armen des Sekundanten, dass der ihn nur mit Mühe fest-
    halten konnte. Er murmelte dem Tier etwas ins Ohr. Dann
    packte er ihn um die Brust und kauerte sich nieder, den Hund
    zwischen den Knien. Dieser ließ die Ratten nicht aus den Augen,
    Geifer tropfte ihm aus dem Maul. Der Sekundant flüsterte ihm
    ein letztes Mal etwas zu, bevor er ihn losließ, worauf der Hund
    den Kopf herumwarf wie eine Schlange. Dann, mit einem kur-
    zen Bellen, fast als wollte er sich räuspern, stürzte er sich auf den
    Rattenhaufen und stieß die Schnauze hinein. Als er den Kopf

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