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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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er
    unbedingt noch mitnehmen. Die Arme des Toten fingen schon
    an, steif zu werden, was die Sache schwieriger machte, als Tom
    gedacht hatte. Und den Mantel unter dem bleischweren Körper
    des Toten hervorzuziehen war auch nicht gerade einfach. Doch
    Tom machte so etwas ja nicht zum ersten Mal. Als er den Mantel
    in der Hand hielt, begutachtete er ihn im Schein der Laterne. Al-
    les in allem war er nicht schlecht in Schuss, lediglich die Tasche
    war zerrissen, und ein Knopf fehlte. Er ließ die Hand in die Ho-
    sentasche des Toten gleiten. Eine Lederbörse ohne Prägung. Tom
    öffnete sie. Ein paar Münzen, kaum mehr als ein Shilling. Tom
    fluchte vor sich hin. Wenn die Flut ihm nicht geholfen hätte,
    hätte sich die Sache für ihn überhaupt nicht gelohnt. So wie̕s
    aussah, war es die ganze Mühe nicht wert. Immerhin, die Hose
    schien ganz passabel, wenn auch nicht so gut wie der Mantel.
    Wenn sie gewaschen war, würde er beim Juden in der Rosemary
    Lane ein bisschen was dafür bekommen. Hastig fummelte er an
    den Knöpfen und hob Lady hoch, damit er dem Toten die Hose
    abstreifen konnte. Mit dem Hund auf dem Arm gestaltete sich
    das als ziemlich schwierig. Der Stoff war triefend nass und von
    Blut und Abwasser verkrustet, und das Dingsbums und die
    Beine des Toten waren steif wie ein Brett.

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    Endlich hatte er es geschafft; er zog die Hose durchs Wasser,
    um sie vom gröbsten Dreck zu befreien, rollte sie in den Mantel
    und band sich das Bündel um den Bauch. Der nunmehr ent-
    blößte Körper wirkte im fahlen Licht der Laterne schlaff, die
    Beine waren merkwürdig haarlos und weiß wie die Aale, die sich
    in den Abwasserkanälen tummelten. Die klaffende Halswunde
    blitzte Tom mit widerlich schwarzem Grinsen entgegen. Er hatte
    hier nichts mehr zu tun. Jetzt musste die Flut ihr Werk voll-
    enden. In ein, zwei Wochen würde nicht mal seine Mutter ihn
    wiedererkennen. Wenn alles gut ging, würde Tom in einer Wo-
    che noch mal herkommen. Er und die Themsefischer würden
    dafür sorgen, dass der Tote scheinbar unverhofft in Rotherhithe
    aus dem Fluss gezogen würde. In Rotherhithe bekam man der-
    zeit eine Krone und Sixpence von den Behörden, die die Todes-
    ursache gerichtlich untersuchten, mehr als doppelt so viel wie an
    jeder anderen Stelle der Themse, und weil Tom die Leiche gefun-
    den hatte, stand ihm mindestens die Hälfte des Geldes zu. Der
    Captain würde davon gar nichts mitbekommen. Tom vergewis-
    serte sich, dass die Leiche noch immer im Tunnel feststeckte,
    dämpfte das Licht seiner Laterne, nahm Lady hoch und watete
    gegen die Strömung in Richtung des Hauptkanals.
    Es war spät, als er sich in den Keller hochzog, viel später, als
    er gedacht hatte. Das Geschrei in der Gasse, das aus den billi-
    gen Absteigen in den Abend drang, war vom gleichförmigen
    Rauschen der Nacht abgelöst worden. Tom nahm einen der
    Rattenkäfige aus der Mauernische und stopfte die Kleider des
    Toten hinein. Die Manschettenknöpfe ließ er in den Finger eines
    Handschuhs gleiten, den er mit dem Taschentuch des Toten zu
    einem Bündel verschnürte. Es gab eine Stelle in den Abwasser-
    kanälen, die niemand außer ihm kannte. Dort war die Beute
    in Sicherheit, bis Gras über die Sache gewachsen war. Man
    konnte ja nie wissen. Die Polente war heutzutage wachsamer

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    und schnüffelte, anders als früher, auch gern in den Elendsquar-
    tieren herum.
    Tom holte die Schriftstücke aus seiner Tasche und entfaltete
    sie. Darunter war so etwas wie ein Brief, geschrieben auf Papier-
    bogen so steif wie Fingernägel; zwischen den einzelnen Seiten
    mehrere amtlich aussehende Schriftstücke, übersät mit Unter-
    schriften und Stempeln und allem Drum und Dran. Der Captain
    hatte die Schriftstücke erbeten. Als Beweis, wie er gesagt hatte.
    Damit er sicher sein könne, dass Tom alles erledigt hatte. Tom
    hatte sich dazu bereit erklärt. Jetzt besah er sich die Sachen und
    befühlte sie zwischen den Fingern. Das Notizbuch trug aufge-
    prägte Initialen. Damit hätte der Captain seinen Beweis. Und die
    Schriftstücke? Nun, Tom hatte sein Leben auf der Straße zuge-
    bracht, und er hatte eine gute Nase. Wenn man mit Männern wie
    dem Captain Geschäfte machte, schadete es nicht, etwas in der
    Hinterhand zu haben, für alle Fälle. Er verstaute daher das Bün-
    del zusammen mit den Handschuhen und dem Taschentuch im
    Saum seiner Jacke. Die Sachen würde er so bald wie möglich
    in sein Versteck bringen. Die Briefmarken und die

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