Der Vermesser
der
hoch gelegene und der mittlere Auffangkanal allein unter Aus-
nutzung der Schwerkraft nach Osten abfließen; damit aber auch
das Abwasser aus dem niedriger gelegenen Kanal ablaufen und
sich mit den beiden anderen Auffangkanälen vereinen konnte,
musste deren Inhalt mehr als vier Meter auf das Niveau der an-
deren Kanäle hochgepumpt werden. Der gesamte Abwasser-
strom sollte dann in einen Auslaufkanal geleitet werden, der
oberirdisch durch Marschland bis zu einem Reservoir westlich
des Barking Creek führte. Zu diesem Zweck hatte Bazalgette die
Firma James Watt & Co. beauftragt, nach seinen präzisen Vorga-
ben acht riesige Dampfmaschinen zu bauen. Der Plan sah über-
dies ein Gebäude für deren Unterbringung vor, mit einem Zu-
gang zu dem riesigen Tunnelsystem, das der Zusammenfluss der
drei großen Auffangkanäle erforderlich machte.
Planung und Bau einer solchen Anlage, die ihre Funktion effi-
zient erfüllte, gestalteten sich als nicht besonders schwierig. Das
enorme Gewicht der riesigen, mit Kohle betriebenen Dampfma-
schinen hingegen bereitete den Inspekteuren und Baufirmen,
die mit der praktischen Ausführung betraut waren, durchaus
Kopfzerbrechen. Ein einfaches Gebäude mit Mauern und einem
Dach hätte wahrscheinlich ausgereicht. Aber für Bazalgette und
die Baubehörde war die Pumpstation weit mehr als nur ein Haus
zur Unterbringung von Pumpen und Messgeräten. London
hatte für die Erneuerung des Abwassersystems mehr als drei
Millionen Pfund bewilligt. Es war sogar eine neue Drei-Penny-
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Steuer eingeführt worden, um das Unternehmen zu finanzieren.
Jeder Grundbesitzer in London durfte ein Teilstück des einhun-
dertunddreißig Kilometer langen neuen Tunnelsystems, das un-
ter der Stadt entstand, sein Eigen nennen.
Das Pumpwerk in Abbey Mills würde neben jenem in Cross-
ness für das Kanalnetz im Süden Londons das größte und finan-
ziell aufwendigste ingenieurtechnische Projekt sein, das die Welt
je gesehen hatte, wobei kaum jemals jemand das Privileg haben
würde, es zu besichtigen. In Bazalgettes Augen war das Pump-
werk die sichtbare Verkörperung jenes großartigen Tunnelsys-
tems, das aufgrund seiner Funktion jeglicher Romantik ent-
behrte und im Untergrund verborgen blieb.
Bazalgette hatte für Abbey Mills ein prachtvolles Bauwerk
im byzantinischen Stil entworfen, eine kreuzförmige Backstein-
konstruktion, gekrönt von einer imposanten Kuppel und flan-
kiert von zwei mächtigen Schornsteinen, jeder mehr als sechzig
Meter hoch. Die Wände sollten in einem dekorativen Muster
aus drei Backsteinarten unterschiedlicher Tönung gemauert
und die Wölbungen mit aus Stein gemeißeltem Früchte- und
Blumendekor verziert werden. Die achteckige Konstruktion des
Innenraums wurde getragen von gusseisernen, mit Kapitellen
gekrönten Säulen und einer aufwendig gestalteten schmiede-
eisernen Galerie.
Auch William war sich zwar durchaus bewusst, dass dies
eine prachtvolle Anlage werden würde, aber anders als seine Kol-
legen war er für deren Zauber unempfänglich. Er konzentrierte
sich ganz auf die logistische Herausforderung. Zahlreiche Be-
rechnungen waren erforderlich. Damit das Abwasser effizient
hochgepumpt werden konnte, mussten die Dampfmotoren di-
rekt oberhalb des Kanalnetzes angebracht werden, was ange-
sichts des Gewichts allein der Schwungräder von jeweils mehr
als fünfzig Tonnen eine besondere Schwierigkeit darstellte. Wil-
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liam machte sich mit verbissener Entschlossenheit, aber ohne
freudigen Eifer ans Werk, so als wären die Dampfmotoren eine
Besatzungsarmee, die ihn gefangen genommen und versklavt
hatte. Dennoch boten ihm die systematischen Zahlenreihen,
welche vor ihm auf dem Tisch die Seite füllten, einen gewissen
Trost. In seiner Schreibnische war er in Sicherheit. Draußen auf
der Straße, wo ihm keine Zahlenreihen Halt boten, fühlte er sich
oft verloren und orientierungslos. Die Wunde an seinem Bein
war schlecht verheilt, und auf den zerfurchten Straßen konnte er
sich nur humpelnd und unsicher bewegen. Der dicke Winter-
nebel bereitete ihm panische Angst. Aus der Dunkelheit tauch-
ten Gesichter auf wie die Geister Ermordeter. Einmal geriet
er vor einen Omnibus und wäre überfahren worden, wenn ihn
nicht ein aufmerksamer Straßenfeger am Ärmel gepackt und
zurückgezogen hätte. Beim italienischen Scherenschleifer in der
Broad Street hatte sich William ein Messer zum Ausnehmen von
Fischen gekauft
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