Der Verräter von Westminster
unserem Eintritt lagen nur wenige Sekunden. Er befand sich erst in der Diele, als ich hereinkam. Die Tür zum Wohnzimmer war geschlossen. Wir haben Mr O’Neils Leiche im selben Augenblick entdeckt.«
»Lüge!«, schrie Talulla wieder. »Sie sind seine Geliebte und würden alles decken, was er sagt.«
Charlotte keuchte.
Ein belustigter und zugleich schmerzvoller Blick trat in Narraways Augen. Er wandte sich dem Polizisten zu: »Das stimmt nicht. Lassen Sie sie bitte gehen. Sofern Sie den Droschkenkutscher ausfindig machen können, mit dem Mrs Pitt gekommen ist, wird er Ihnen bestätigen, dass sie nach mir eingetroffen ist, und er muss auch gesehen haben, dass sie allein ins Haus gegangen ist. Wie Sie selbst bemerkt haben, ist O’Neil erschossen worden. Fragen Sie den Kutscher, ob er einen Schuss gehört hat.«
Der Beamte nickte. »Sie haben Recht, Sir.« Zu Talulla sagte er: »Und Sie gehen bitte nach Hause, Ma’am. Ich kümmere mich um die Angelegenheit.« Dann sah er zu Charlotte hin und erklärte: »Sie können gehen. Aber bleiben Sie bitte auf jeden Fall in Dublin. Wir müssen später noch mit Ihnen sprechen. Wo wohnen Sie?«
»Molesworth Street Nummer 7.«
»Danke, Ma’am. Das ist alles. Und jetzt lassen Sie mich bitte meine Arbeit tun.«
Es blieb Charlotte nichts anderes übrig, als hilflos mit anzusehen, wie ein zweiter Beamter, der inzwischen hereingekommen war, Narraway Handfesseln anlegte und ihn zu Talullas unübersehbarer Befriedigung hinausführte.
Benommen und schrecklich allein lief sie über den schmalen Gartenweg zur Straße.
KAPITEL 8
Ohn esic zu uwehren, ließ sich Pitt von den beiden kräftigen Polizeibeamten abführen. Widerstand zu leisten wäre ebenso sinnlos gewesen wie der Versuch, die Zusammenhänge erklären zu wollen. Aufgrund der Aussage des Schaffners waren die beiden fest überzeugt, dass sie es mit einem gewalttätigen Geistesgestörten zu tun hatten, der zwei ihm möglicherweise völlig unbekannte Männer von der Plattform eines schnell fahrenden Zuges in den Tod gestoßen hatte.
Die zugleich erbosten und verängstigten Fahrgäste hatten nur undeutlich mitbekommen, was auf der Plattform geschehen war.
»Ich weiß genau, was ich gesehen hab!«, sagte einer von ihnen mit vor Entsetzen noch bleichem Gesicht und trat auf dem Bahnsteig so weit wie möglich von Pitt fort. »Er hat sie beide runtergeschubst. Passen Sie ja auf, dass er Sie nicht auch noch umbringt! Er ist verrückt! Hat die beiden einfach von der Plattform geschubst, erst den einen und dann den anderen. «
»Er hat mich angegriffen, und ich musste mich zur Wehr setzen«, betonte Pitt.
»Welcher, Sir?«, fragte ihn einer der Beamten. »Der Erste, oder der Zweite?«
»Der Zweite«, gab Pitt zur Antwort. Er hörte selbst, wie verzweifelt seine Stimme klang, und sogar ihm kam diese Erklärung lächerlich vor.
»Vielleicht gefiel ihm nicht, dass Sie den ersten Mann von der Plattform gestoßen hatten«, gab der Beamte zu bedenken. »Er wollte Sie festnehmen, ganz, wie es die Pflicht eines guten Bürgers ist.«
»Er hat mich zuerst angegriffen«, versuchte Pitt zu erklären. »Der andere wollte mir helfen und ist im Kampf gegen ihn unterlegen.«
»Aber als der Zweite Sie angegriffen hat, sind Sie siegreich geblieben, nicht wahr?«, fragte der Beamte unüberhörbar ungläubig.
»Das muss wohl so sein, sonst wäre ich nicht hier«, sagte Pitt ungeduldig. »Wenn Sie mir die Fesseln abnehmen, zeige ich Ihnen meine Dienstmarke. Ich arbeite für den Sicherheitsdienst. «
»Klar, Sir«, gab der Beamte sarkastisch zurück. »Und der hat nichts Besseres zu tun, als Leute aus Zügen zu werfen. Eine ausgesprochen sichere Angelegenheit.«
Nur mühsam brachte Pitt es fertig, die in ihm aufsteigende Wut zu beherrschen. »Sehen Sie in der Innentasche meines Jacketts nach«, stieß er zwischen den Zähnen hervor, »da finden Sie sie.«
Die beiden Männer sahen einander an. »Tatsächlich? Und welchen Grund haben Sie da, Leute aus Zügen zu werfen, Sir?«
»Der Mann hat mich angegriffen«, gab Pitt erneut zurück. »Er war ein gefährliches Individuum, das Gewalttaten geplant hatte.« Noch während er das sagte, war ihm klar, wie absurd diese Behauptung angesichts dessen klang, dass Gower tot irgendwo am Bahndamm lag, während er hier auf dem Bahnsteig stand, unverletzt, abgesehen von einigen blauen Flecken, die für Außenstehende nicht sichtbar waren.
»Ich erkläre es Ihnen noch mal«, setzte er erneut an. »Der Mann
Weitere Kostenlose Bücher