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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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gern gewusst hätte, was sie getan hatte und was ihr angetan worden war.
    »Der Kopf wurde erst nach ihrem Tod abgetrennt«, sagte Dr. Ito. »Sonst wäre der gesamte Schauplatz des Mordes voller Blut gewesen.«
    »Tote bluten nicht«, pflichtete Sano ihm bei. Er bemühte sich um einen nüchternen Tonfall, obwohl sein Blick auf das geronnene Blut auf dem Moskitonetz fiel. »Der Mörder hat sie aufs Bett gelegt und enthauptet, nachdem der Tod eingetreten war.«
    »Seht Ihr, wie zerfetzt der Hals an den Rändern ist?« Dr. Ito schien zu bemerken, dass Sano sich um irgendetwas Sorgen machte. »Der Täter muss in blinder Wut gehandelt haben.«
    Aus dem Gefängnistrakt drangen das Schreien und Stöhnen der Gefangenen herüber. Sano stellte sich Wisterie vor, ihr hübsches Gesicht von nackter Angst verzerrt, während sie versuchte, den Angreifer abzuwehren. Er hörte sie schreien, als der Mörder mit blanken Fäusten auf sie einschlug, er sah, wie er Wisterie gegen die Wand schleuderte und wie sie unter seinen Tritten und Schlägen zusammenbrach.
    Sano bemühte sich um Fassung. »Da wir nun wissen, wie sie gestorben ist«, sagte er, »müssen wir feststellen, ob es sich bei der Toten wirklich um Kurtisane Wisterie handelt und ob Fujio sie getötet hat.«
    »Zuerst sollten wir überprüfen, ob die Beschreibung der geflohenen Kurtisane auf diese Frau passt.« Dr. Ito hielt inne, als wollte er Sano fragen, was ihn bedrückte. Entweder hielt Sanos Miene ihn zurück, oder die Höflichkeit untersagte es ihm, neugierige Fragen zu stellen. »Wie alt ist Wisterie?«
    »Vierundzwanzig«, sagte Sano. Er ging davon aus, dass das Alter, das sie ihm damals genannt hatte, der Wahrheit entsprach.
    »Diese Frau war noch jung«, sagte Dr. Ito mit Blick auf den Leichnam. »Ihre Haut ist weich und fest. Sie könnte vierundzwanzig gewesen sein.«
    Die Übereinstimmung des Alters könnte aber auch Zufall sein, überlegte Sano, doch sein verkrampfter Magen schien eine gegenteilige Meinung zu vertreten.
    »Wie groß ist Wisterie, und welche Figur hat sie?«, fragte Dr. Ito.
    »Sie ist klein.« Sano hob die Hände auf Schulterhöhe, um ihre Größe anzudeuten. Er versuchte, die Erinnerung an Wisteries Körper mit der Größe des Leichnams zu vergleichen, doch das Fehlen des Kopfes sowie die Blutergüsse und die Leichenblässe machten ein Wiedererkennen unmöglich. Sano schluckte und zwang sich, seine Beschreibung fortzusetzen. »Sie ist schlank, mit schmalen Hüften und kleinen Brüsten …«
    »Wie dieses Opfer.« Dr. Ito blickte auf jenen Teil der Leiche, dessen Anblick Sano vermieden hatte. »Ihre Scham ist rasiert. Sie war eine Prostituierte.«
    Es wiesen viele Gemeinsamkeiten darauf hin, dass die Tote Kurtisane Wisterie war, auch wenn ein endgültiger Beweis fehlte.
    Doch Sanos Hoffnung, Wisterie könne noch leben, schwand. Er wandte sich ab.
    »Deck sie zu, Mura- san «, sagte Dr. Ito leise.
    Welche Lügen Wisterie auch erzählt und welche Schandtaten sie verübt haben mochte – sie war eine stolze und mutige Frau. Sano dachte an ihr kühles Verhalten bei ihrem letzten Treffen. Ob sie eine Vorahnung gehabt hatte, dass ihr nicht mehr viel Zeit auf Erden blieb?
    »Glaubt Ihr, der hokan hat sie getötet?«, fragte Dr. Ito.
    »Eigentlich kann ich mir kaum vorstellen, dass Fujio zu solch einer Brutalität fähig ist. Hirata verhört ihn heute Morgen. Ich bin gespannt, was er herausbekommt.«
    Sano starrte mit finsterer Miene aus dem Fenster und dachte über die Auswirkungen nach, die der zweite Mord für ihn haben könnte. Seine Ermittlungen konnten nun fortgesetzt werden. Selbst wenn der Shōgun der Meinung war, der Mörder seines Erben sei schon bestraft worden, würde er von Sano erwarten, den Tod der enthaupteten Frau aufzuklären. Und neue Nachforschungen könnten den Beweis erbringen, wer Fürst Mitsuyoshi wirklich getötet hatte. Diese Aussicht flößte Sano einerseits Angst ein, vermittelte ihm anderseits aber ein Gefühl der Genugtuung.
    »Mura- san , lass uns bitte allein«, sagte Dr. Ito. Der eta ging hinaus. Dr. Ito stellte sich neben Sano. »Kann ich Euch noch irgendwie helfen?«, fragte er freundlich.
    Das Bedürfnis, sich jemandem anzuvertrauen, war stärker als Sanos Zurückhaltung. »Ich habe Wisterie gekannt«, stieß er hervor und weihte Dr. Ito in sein Geheimnis ein. »Es ist schwer, unvoreingenommen zu bleiben, wenn das Opfer eine Frau sein könnte, die einst meine Geliebte war«, gab er zu. »Wenn ich diese

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