Der Verrat
selbstsüchtig von dir, dass du das Niu-Mädchen heiraten willst. Es beweist, dass du keine Achtung vor mir hast, und es zeigt einen beklagenswerten Mangel an Rücksicht gegenüber unserer Familie.« Zu seiner Frau, die weitere Kräuter ins Heilbad gab, sagte er: »Hör auf! Mach nicht so ein Aufhebens!« Dann wandte er sich wieder Hirata zu. »Wir müssen zu viele Mäuler stopfen und haben zu wenig Platz. Es ist schändlich, dass du von deinen Eltern und Großeltern, deinen Schwestern und deren Kindern erwartest, dass sie sich von den Krumen ernähren, die du ihnen hinwirfst! Dabei könnte die Mitgift des Sagara-Mädchens unsere Reisschüsseln für immer füllen und uns die Behaglichkeit und Wärme eines größeren Hauses bescheren.«
Hirata spürte, wie seine Wangen rot anliefen, und Scham überkam ihn bei dem Gedanken, seine persönlichen Interessen über das Wohl der Familie zu stellen. »Aber die Niu sind noch viel reicher als die Sagara«, verteidigte er sich. »Auch wenn ich Midori heirate, wird es euch an nichts fehlen.«
Die Miene seines Vater verdüsterte sich. »Es ist unmöglich, dass du dieses Mädchen heiratest und wir am Reichtum ihrer Familie teilhaben – und nicht nur deshalb, weil ich gegen diese Ehe bin.« Er wandte sich an seine Frau: »Mutter, bring den Brief von Fürst Niu, der heute gekommen ist.«
Sie eilte aus dem Gemach und kam mit einer Schriftrolle zurück, die sie Hirata reichte. Er las:
Hiermit erkläre ich die Heiratsverhandlungen zwischen unseren Familien für beendet. Dass ich meine Tochter mit dem Sohn eines Schurken, wie Ihr es seid, verheiraten soll, der sich als eingeschworener Feind meines Klans erwiesen hat, ist ungeheuerlich!
Sagt Eurem Sohn, dass ich ihm dringend rate, jede Verbindung mit meiner Tochter abzubrechen. Dieser nichtswürdige Narr soll es ja nicht wagen, meine Tochter zu beschmutzen! Sollte er wieder die Dreistigkeit besitzen, um sie zu werben, wird es ihm eine strenge Bestrafung einbringen, und sollte er gar wagen, sich ihr aufs Neue zu nähern, werde ich ihn mit meinem eigenen Schwert in Stücke hauen und seinen Kopf über die Schwelle meines Hauses nageln, als Warnung an alle anderen unwillkommenen Freier.
Niu Masamune,
daimyō der Provinz Satsuma
Während Hirata entsetzt auf das Schreiben starrte, rief sein Vater aus: »Nicht nur, dass Fürst Niu es gewagt hat, mich öffentlich zu bedrohen – jetzt droht er auch dir! Du musst tun, was er verlangt, und dich von seiner Tochter fern halten.«
Hirata erstarrte. Er sollte Midori niemals wiedersehen? Das war ein unerträglicher Gedanke! »Vielleicht hat es irgendein Missverständnis gegeben, das bereinigt werden kann, wenn wir alle uns zusammensetzen und über die Sache reden …«
»Ich will Fürst Niu nie mehr sehen! Er würde mir nur wieder seine schändlichen Beleidigungen entgegenschleudern!«, stieß Hiratas Vater hervor. »Und ich werde keine Gedanken mehr an eine Ehe zwischen dir und Nius Tochter verschwenden!«
Wenngleich sein Vater eine steinerne Miene zeigte und seine Stimme erkennen ließ, dass er keinen Widerspruch duldete, wollte Hirata nicht aufgeben, schließlich hatte er Midori versprochen, eine Möglichkeit zu finden, dass sie trotz aller Hindernisse heiraten konnten. Verzweifelt sagte er: »Und wenn Fürst Niu dir eine Entschädigung für die Beleidigungen zahlt, seine Drohungen zurücknimmt und mich als Schwiegersohn willkommen heißt? Würdest du dann in die Ehe einwilligen?«
Der Vater betrachtete Hirata mit einem wehmütigen Ausdruck. Auch wenn er kein Wort sagte, sah Hirata den Ausdruck väterlicher Liebe auf seinem Gesicht, vermischt mit Trauer. Eine winzige Flamme der Hoffnung flackerte in Hiratas Innern auf, erlosch dann aber, als sein Vater den Kopf schüttelte.
»Würde Fürst Niu tun, was du verlangst, würde ich mich vielleicht umstimmen lassen«, sagte er. »Doch eher könntest du um ein Wunder beten, als damit zu rechnen, dass Fürst Niu seine Meinung über die Hochzeit ändert, denn wie es aussieht, ist sein Hass auf uns durch nichts zu besänftigen. Du musst dich damit abfinden, ohne dieses Mädchen zu leben. Gewöhne dich an den Gedanken, eine andere zu heiraten.«
Er hob das Bein aus der Schüssel. Als seine Frau es mit einem Tuch abtrocknete, sagte er zu Hirata: »Die ganze Geschichte hat dich jetzt lange genug von deinen Pflichten fern gehalten. Kümmere dich wieder um die Arbeit, sonst müssen noch die Ermittlungen des sōsakan-sama unter deinen
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