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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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dass der Mann Weißrusse war. Er hatte nie für den KGB gearbeitet, dafür für den weißrussischen Geheimdienst KGB, oder BKGB, wie er in Geheimdienstkreisen genannt wurde. Der BKGB war der kleine Bruder des russischen KGB. Während viele der ehemaligen Sowjetrepubliken unabhängig wurden, behielt Weißrussland engste Beziehungen zu Mütterchen Russland bei. Der Mann hatte fast ein Jahrzehnt für den Staatssicherheitsdienst gearbeitet. Damals hatte er wahrscheinlich nebenbei für einen hochrangigen kommunistischen Politiker gearbeitet, der mit allen Mitteln versuchte, der Mafiaboss von Minsk zu werden.
    Sein richtiger Name war Yuri Milinkovich. Der französische Geheimdienst hatte schon 1996 eine Akte über ihn angelegt, als er ein Spionageabwehrteam in Minsk leitete. Drei französische Geschäftsleute waren in die weißrussische Hauptstadt gereist, um ein Angebot für den Bau eines Staudamms für ein Wasserkraftwerk zu unterbreiten. Die französischen Manager wurden festgenommen, bevor sie ihr Angebot vorlegen konnten, und unter dem Verdacht der Spionage festgehalten. Nach drei Tagen – die Frist für die Unterbreitung der Angebote war inzwischen abgelaufen – wurden sie ohne jede Erklärung freigelassen. Der französische Geheimdienst vermutete, ohne es beweisen zu können, dass die deutsche Firma, die schließlich den Zuschlag erhielt, dafür bezahlt hatte, das französische Team aus dem Rennen zu werfen. In seiner Zeit beim weißrussischen Sicherheitsdienst kam es zu vier weiteren Vorfällen dieser Art. Schließlich wurde auch Interpol auf Milinkovich aufmerksam, weil man vermutete, dass er inzwischen für die weißrussische Mafia arbeitete.
    Rapp wog diese Informationen sorgfältig ab und kam zu dem Schluss, dass der Mann im Luftschutzkeller tatsächlich Yuri Milinkovich sein musste. Blieb die Frage, warum er Gazich töten wollte. Rapp wies Dumond an, Informationsmaterial über die weißrussische Mafia zusammenzutragen. Russland und die ehemaligen Sowjetrepubliken waren nicht gerade Rapps Spezialgebiet. Er war vor allem in Europa sowie im Nahen und Mittleren Osten zu Hause. Natürlich hatte er den Zusammenbruch der Sowjetunion aufmerksam verfolgt – und auch die Konsequenzen, die sich daraus ergaben. Mit dem Zusammenbruch der Zentralregierung wurden einstige Parteimitglieder praktisch über Nacht zu Mafiabossen und nutzten so das entstandene Machtvakuum für ihre Zwecke. Es kam zu erbitterten Bandenkriegen, neben denen die berüchtigten Mafiakriege im Chicago der Zwanzigerjahre wie harmlose Prügeleien wirkten.
    Rapp versuchte das alles zu berücksichtigen, bevor er sich mit dem Mann unterhielt. Im Moment tickte keine Zeitbombe; es ging nicht darum, Menschenleben zu retten, indem man bestimmte Informationen aus dem Kerl herausbekam. Der Einsatz von Folter war also nicht zwingend notwendig. Rapp beschloss, dass er sich vorläufig auf ein reines Frage-Antwort-Spiel beschränken würde. Er wollte Milinkovich die Chance geben, die Wahrheit zu sagen und zu erklären, warum er versucht hatte, Gazich zu töten. Gewiss, der Mann hatte schon einmal gelogen, als er sich als Angehörigen des KGB ausgab, aber die Russen und andere Slawen hatten manchmal eine etwas eigenwillige Auffassung von Wahrheit. Wenn Milinkovich behauptete, für den KGB zu arbeiten, so mochte das für ihn gar keine Lüge sein. Wahrscheinlich betrachtete er es sogar als ein teilweises Eingeständnis. Er hatte immerhin für den BKGB gearbeitet, wenn auch nicht für dessen besser bekannten großen Bruder. Entscheidend aber war, dass er behauptete, immer noch für den Geheimdienst tätig zu sein. Gazich hatte zu Recht über Milinkovich gelacht, als sich dieser als KGB-Mann bezeichnete. Gazich hatte gewusst, dass der Mann für die Mafia arbeitete – obwohl er höchstens ein paar Minuten mit ihm in seinem Büro war. Möglicherweise kannten sich die beiden von einem früheren Job.
    Rapp sah seine Aufgabe nun darin, Milinkovich zunächst die Chance zu geben, zu erklären, womit er wirklich sein Geld verdiente. Danach konnten sie zu den wirklich wichtigen Fragen übergehen. Wie, zum Teufel, kam die weißrussische Mafia dazu, mit arabischen Terroristen zusammenzuarbeiten, und wer konkret hatte für diese Operation gezahlt?
    Als Rapp die Treppe in den Luftschutzkeller hinunterstieg, hatte er in groben Zügen die Fragen im Kopf, die er dem Mann stellen würde, und auch, wie er vorgehen würde, wenn Milinkovich weiter log. Über der massiven Metalltür war

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