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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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Blickfeld. Er hatte irgendetwas an sich, das Rapp stutzig machte. Er war im modischen Nachtclubstil der jüngeren Generation gekleidet, mit ausgeblichenen zerrissenen Designerjeans, Retro-Laufschuhen, einer blauen Trainingsjacke und einer John-Deere-Baseballmütze. Die Baseballmütze hatte er tief nach unten gezogen, den Kragen der Jacke hochgeschlagen und die Hände in den Taschen vergraben. Beim Gehen drehte er langsam, fast unmerklich den Kopf von links nach rechts. Rapp dachte unwillkürlich an die siebenundzwanzig Sekunden Bildmaterial aus der Sicherheitskamera vom Starbucks-Café in Georgetown. Der ungeübte Betrachter hätte diesen Bildern nur wenig entnehmen können, doch für Rapp vermittelten sie eine Vielzahl von Informationen, die praktisch einem Schuldeingeständnis des geheimnisvollen Mannes gleichkamen, der dort seinen Espresso kaufte.
    Auf den ersten Blick wirkte der Mann auf dem Bildmaterial ganz normal. Rapp betrachtete die Dinge jedoch ein bisschen anders. So wie ein Zauberer, der den Kunststücken eines anderen zusah, wusste auch er genau, worauf er zu achten hatte, weil er vom Fach war. Auch er war oft genug in fremden Ländern gewesen, und er wusste genau, was man zu tun hatte, um die Zeit bis zur Operation möglichst unauffällig zu verbringen. Dabei hatte er sich genauso verhalten wie dieser Mann: die Baseballmütze tief nach unten gezogen, um den Kameras kein aufschlussreiches Bild zu liefern, lockere Körperhaltung, die Augen stets wachsam.
    »Bist du das, Alexander?«, flüsterte Rapp, während er sich etwas zurücklehnte.
    Ohne den Blick von dem Mann zu wenden, hob Rapp die Kamera an die Augen und schoss ein paar Fotos von ihm. Der Augenblick der Wahrheit war nahe. Würde er das Café betreten und in sein Büro hinaufgehen, oder würde er den Block umkreisen und sich erst einmal umsehen? Rapp wusste, was er selbst in dieser Situation tun würde, und war fast ein bisschen enttäuscht, als der Mann vor dem Café stehen blieb. Er begann sich mit dem älteren Mann zu unterhalten, der beim Empfangstisch stand. Mit plötzlicher Sorge wurde Rapp bewusst, dass er den Mann unbedingt lebend haben musste. Sein Blick wanderte zu dem Mann im Auto hinüber, der nicht mehr als zehn Meter vom Café entfernt war. Er saß nach wie vor völlig regungslos da.
    Der Typ mit der Baseballmütze zündete sich eine Zigarette an und unterhielt sich weiter mit dem älteren Mann, dann küsste er ihn auf beide Wangen und ging weiter. Alles an ihm erinnerte an die Bilder von der Sicherheitskamera, bis auf die Zigarette. Andererseits hatte er ja nicht rauchen können, als er sich im Starbucks um einen Kaffee anstellte. Der Mann mit der Baseballmütze zwängte sich zwischen einigen Nachtschwärmern hindurch, die darauf warteten, ins Café zu kommen. Rapp entspannte sich ein wenig, ließ den Mann aber nicht aus den Augen. Er ließ die Kamera sinken und fragte sich, ob es tatsächlich der war, hinter dem er her war, oder ob er zu viel in seine äußere Erscheinung hineininterpretierte. Er rieb sich die Augen und sah erneut auf die Uhr.
    Als er wieder auf die Straße hinunterblickte, passierte etwas völlig Unerwartetes. Der Mann mit der Baseballmütze scherte plötzlich zu dem geparkten Wagen mit dem Kerl auf dem Beifahrersitz aus. Rapp riss die Kamera hoch und drückte auf Autofokus; das Bild des Fußgängers und des Autos wurde sofort scharf. Die Straßenlaternen lieferten genug Licht, dass er erkennen konnte, was vor sich ging, doch Rapp fürchtete, dass es vielleicht nicht ausreichte, um klare Bilder mit der Kamera zu bekommen. Als der Mann mit der Baseballmütze schon relativ nahe beim Auto war, beugte er sich beiläufig vor, um durch das offene Fenster auf der Fahrerseite zu blicken. Es war eine Einbahnstraße, und der Wagen war auf der Straßenseite des Cafés geparkt. Der Mann im Auto saß auf der Beifahrerseite, wahrscheinlich, um mehr Beinfreiheit zu haben.
    Rapp erkannte erst im letzten Augenblick, was passierte. Er drückte den Auslöser, und die superschnelle Digitalkamera schoss sechs Bilder pro Sekunde. In dem schwachen Licht sah er, wie der Mann mit der Baseballmütze den Arm durch das Autofenster streckte, worauf ein kurzer Blitz aufleuchtete. Nicht der weiße Blitz der Kamera, sondern das gelbe Aufblitzen einer Waffenmündung. Rapp nahm den Finger vom Auslöser und stand regungslos da. Er musste unbedingt mitbekommen, was als Nächstes passierte. Drei Sekunden vergingen, dann noch zwei. Rapp zählte bis

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