Der Verrat
ihr Leute?«, fragte er.
»Ich bin’s, Marcus.«
Der Computerexperte Marcus Dumond war innerhalb der CIA in der Abteilung Terrorbekämpfung beschäftigt.
»Was gibt’s?«, fragte Rapp.
»Ich habe gerade mit einem Kumpel von der DGSE gesprochen.« Dumond meinte die Direction Générale de la Sécurité Extérieure, Frankreichs Auslandsgeheimdienst. »Sie wissen ein paar Dinge über diesen Alexander Deckas. Sein richtiger Name ist Gavrilo Gazich. Er ist Bosnier und hat in dem schmutzigen Krieg dort unten einige Erfahrungen gesammelt.«
Rapp trat von der Wand weg und blickte aus dem Fenster. »Sehr nett. Was haben sie sonst noch?«
»Er wird vom Tribunal in Den Haag gesucht.«
»Wegen Kriegsverbrechen?«, fragte Rapp etwas überrascht. »Wie alt ist er?«
»Fünfunddreißig.«
»Also, damals muss er ja noch ein Jüngling gewesen sein, als sie sich in den Neunzigern dort massakrierten.« Rapp überprüfte die Fenster des Wohnhauses gegenüber. »Warum sollten sie sich mit jemandem in einem so niedrigen Rang abgeben?«
»Er war Scharfschütze. Ich schätze, er hat über fünfzig Zivilisten erschossen, als sie Sarajevo belagerten.«
Rapp erstarrte für einen Augenblick, dann trat er langsam vom Fenster weg. Es dauerte einige Sekunden, bis er wieder zu atmen wagte, dann stieß er einen wüsten Fluch hervor.
»Was ist denn los?«, fragte Dumond.
»Das nächste Mal sagst du mir so was vielleicht sofort.«
»Was meinst du?«
»Ach, nichts«, brummte Rapp. »Was wissen sie sonst noch über ihn?«
»Er soll in Afrika operiert haben, hauptsächlich in der Osthälfte … Sudan, Äthiopien, Uganda, aber darüber haben sie nichts Konkretes.«
»Wie steht’s mit einem Foto?«
»Haben sie, ist aber nicht sehr gut.«
»Gut genug, um eine Übereinstimmung mit den Bildern von der Sicherheitskamera festzustellen?«
»Nicht hundertprozentig, aber er kommt sicher infrage.«
»Na gut. Schick das Zeug an die Afrika-Abteilung und frag nach, was sie wissen.«
»Mach ich.«
»Und sieh zu, dass du dir das Beweismaterial besorgen kannst, das sie in Den Haag von ihm haben. Ich will wissen, wie gut er als Schütze ist.«
»Ich kümmere mich darum.«
»Gute Arbeit, Marcus.«
Rapp drückte auf den Knopf am Ohrhörer, um das Gespräch zu beenden. Es gab nicht viele Dinge, die ihm wirklich Angst machten – aber Scharfschützen gehörten dazu. Diese raffinierten kleinen Mistkerle konnten einen auch noch aus eineinhalb Kilometern Entfernung abknallen – zumindest die sehr guten unter ihnen. Mit solchen Leuten konnte man keinen fairen Kampf führen. Rapp saß regungslos in dem dunklen Hotelzimmer und versuchte die neuen Informationen zu verarbeiten. Ob dieser Kerl ahnte, dass Rapp hinter ihm her war? Wahrscheinlich nicht. Rapp war sehr vorsichtig gewesen, und abgesehen von Colemans Team und einigen wenigen Leuten in Washington wusste niemand, dass er mit dem Fall beschäftigt war.
Rapp fragte sich, ob es möglich war, dass diese drei Typen früher einmal mit Gazich zusammengearbeitet hatten. Es war nicht ausgeschlossen, aber aus irgendeinem Grund glaubte er nicht daran. Diese Killer waren in den allermeisten Fällen Einzelgänger – ganz einfach, weil sie es sich nicht leisten konnten, jemand anderem zu vertrauen. Rapp hatte einige dieser Typen gesehen; meist waren es ehemalige Soldaten oder Milizionäre, die allein stets besser zurechtkamen als in einer Gruppe. Rapp wusste das schon deshalb so genau, weil er selbst auch so war. Natürlich gab es auch andere Killer, die aus den Kreisen des organisierten Verbrechens und der Drogenkartelle kamen. Diese Typen operierten für gewöhnlich nicht allein. Sie waren meist im Rudel unterwegs, wie die Hyänen.
In diesem Fall war der entscheidende Faktor der alte Cafébesitzer. Die drei Typen, wer immer sie waren, hatten ihn sich vorgeknöpft, und als guter Grieche spielte der alte Mann mit, während er heimlich gegen sie vorging. Er verriet seinem Mieter, der zufällig ein professioneller Killer war, dass diese Kerle nach ihm suchten, und nun wurde das Problem auf sehr nachhaltige Weise gelöst. Wie würde Gazichs nächster Schritt aussehen? Wenn er tatsächlich ein ausgebildeter Scharfschütze war, hatte er genügend Möglichkeiten. Bei der Vorstellung, dass dieser Kerl vielleicht mit einem Hightech-Gewehr oben auf dem Dach des Wohnhauses saß, stellten sich ihm die Nackenhaare auf.
Rapp dachte sich, dass die beiden Typen, auf die er es abgesehen hatte, wahrscheinlich nicht so
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