Der Verrat
sich die Frage. »Brooks hat einen blauen Minivan gemietet. Sie wartet am Flughafen auf euch.«
»Wir sitzen auf dem Rollfeld fest.«
»Was heißt das – ihr sitzt fest?«
»Da steht ein anderes Flugzeug am Gate. Wir können nicht hin, bevor es nicht gestartet ist, und dann müssen wir noch auf das Gepäck warten.«
Rapp beobachtete, wie der große korpulente Mann beim Wagen dem älteren Mann mit der Schürze den Arm um die Schultern legte. Als er dem Alten etwas in die Hemdtasche steckte, drückte Rapp den Auslöser und hielt ihn gedrückt. Die Kamera schoss sechs Fotos in rascher Folge. Der korpulente Mann tätschelte dem Cafébesitzer mehrere Male die Wange, bevor er ihn losließ.
Rapp runzelte die Stirn, während er zusah, wie der ältere Mann ins Café zurückkehrte. Er blickte auf das Display der Kamera hinunter und schaltete mehrere Fotos zurück. Dann drückte er den Zoom-Regler und vergrößerte das Bild, bis er erkennen konnte, was der Fremde dem Cafébesitzer in die Hemdtasche gesteckt hatte. Es war Geld. Polizisten liefen normalerweise nicht durch die Gegend und stopften irgendwelchen Leuten Geld in die Tasche. Schon gar nicht in diesem Teil der Welt, wo sie jederzeit irgendeinen Vorwand finden konnten, um jemanden für eine Woche ins Gefängnis zu stecken.
»Hast du mich verstanden?«, fragte Coleman.
»Ja.« Rapp blickte zum Horizont hinaus. Der Tag neigte sich dem Ende zu; er war sich sicher – wenn es dunkel war, würde hier irgendetwas passieren. »Einer deiner Jungs soll auf das Gepäck warten. Ich brauche dich hier so schnell wie möglich.«
8
Retsina ist ein griechischer Wein, der mit Kiefernharz versetzt wird. Manche griechischen Patrioten meinen, dass es der Wein der Götter wäre. So ziemlich jeder, der schon einmal eine Flasche anständigen französischen Bordeaux probiert hat, dürfte Retsina ungefähr so genießbar finden wie Terpentin. Gazich konnte jedenfalls Retsina nicht ausstehen, und Andreas ebenso. Dass der Alte versprochen hatte, ihm seinen besten Retsina zu reservieren, konnte man unter Umständen als Scherz auffassen, wie er zwischen alten Freunden üblich war. Doch Andreas hatte danach sofort aufgelegt und nicht gewartet, wie sein Mieter reagieren würde, und er hatte auch nicht gelacht. Es war gar nicht Andreas’ Art, so abrupt aufzulegen – nein, er liebte es, ein bisschen zu sticheln und ihn zu foppen.
Irgendetwas stimmte nicht, das spürte Gazich genau. Sein Haus lag auf einem der Hügel außerhalb von Limassol. Er war versucht, zuerst dorthin zu fahren, doch er widerstand dem Drang. Stattdessen ließ er den Taxifahrer langsam, aber nicht zu langsam an seinem Büro vorbeifahren. Er sah den Mann am Lenkrad des geparkten Wagens und den anderen auf dem Bürgersteig. Gazich ließ den Fahrer daraufhin zum Amathus Beach Hotel fahren, wo er sich ein Zimmer nahm, sich frisch machte und überlegte, was er tun sollte.
Es war nicht Gazichs Art, schnell in Wut zu geraten. Meistens dauerte es eine Weile, bis ihn Dinge, die ihn beschäftigten, innerlich zum Kochen bringen konnten. Beim Abendessen auf dem Balkon seines Hotelzimmers war es dann so weit. Es bestand kaum noch ein Zweifel daran, dass diese Dilettanten, die ihn angeheuert hatten, beschlossen hatten, ihre Abmachung zu brechen. Gewiss, es konnte auch sein, dass ihm die Gesetzeshüter auf den Fersen waren, aber das war nicht allzu wahrscheinlich. Gazich hatte die Ermittlungen des FBI in den Medien verfolgt, und es war nirgends von einem Einzeltäter die Rede. Alles, was man aus Washington hörte, deutete darauf hin, dass sie verschiedene Terrorgruppen im Visier hatten. Gazich konnte die Fähigkeiten des FBI nicht wirklich einschätzen, aber er wusste immerhin, dass es praktisch unmöglich war, Ermittlungen durchzuführen, ohne dass irgendetwas zu den Medien durchsickerte.
Es wäre sicher das Klügste gewesen, sich aus dem Staub zu machen. Er hatte über drei Millionen bei verschiedenen Banken in Europa deponiert. Wenn er das Geld geschickt investierte, konnte er sich in irgendeinem Dritte-Welt-Land seiner Wahl ein schönes Leben machen. Er lebte jedoch gern hier auf Zypern. Sein Haus, sein Büro, die laschen Bankgesetze – das alles wollte er nicht mehr missen. Die Insel war einfach der ideale Standort für ihn. Je länger er nachdachte, umso wütender wurde er – und zwar nicht nur auf seine niederträchtigen Auftraggeber, sondern auch auf sich selbst. Warum hatte er so schnell zugegriffen, als sie ihm den Auftrag
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