Der Verrat
zehn, und der Mann stand immer noch am Autofenster und plauderte gestikulierend vor sich hin, so als würde er dem Kerl im Auto etwas Interessantes erzählen.
Rapp ließ die Kamera sinken. »Du redest mit einem Toten, nicht wahr?«, murmelte er und schüttelte den Kopf. »Du tust, als wäre überhaupt nichts passiert, und dann steckst du die Pistole ein und gehst weiter.«
Rapp verfolgte die Szene mit einiger Bewunderung. Der Typ hatte wirklich Mumm. Was er soeben gesehen hatte, bestätigte seine Vermutungen. Die Terroristen, die für den Tod von Alexander und Ross gezahlt hatten, waren nicht zufrieden mit dem Ergebnis, das Alexander Deckas ihnen abgeliefert hatte, und jetzt wollten sie ihn ausschalten. So etwas war in diesen Kreisen nichts Ungewöhnliches. In gewisser Weise war eine solche Geschäftsvereinbarung so, als würde ein Mann seine Frau wegen einer anderen verlassen, mit der er eine Affäre hatte. Dass derselbe Mann irgendwann auch die Frau betrog, mit der er zuvor seine Ehefrau betrogen hatte, sollte niemanden überraschen, am wenigsten die betreffende Frau selbst.
Rapp beobachtete, wie der Killer sich aufrichtete und vom Auto wegging. Er winkte dem Toten noch einmal zu und ging die Straße hinunter. Rapp blickte rasch zum Café hinüber, um zu sehen, ob ihm jemand folgte. Der große korpulente Kerl, den er ein paar Stunden zuvor beobachtet hatte, war nirgends zu sehen. Nur der ältere Mann erschien, um zu sehen, was passiert war. Rapps Blick ging wieder zu dem Mann mit der Baseballmütze zurück. Er erwartete, dass er um die Ecke biegen und verschwinden würde, dass er vielleicht Jacke und Mütze ablegen und wieder zurückkommen würde, um sich auch die beiden anderen vorzuknöpfen, falls sie auftauchten. Der Drang, ihm zu folgen, war stark, aber bei so vielen unbekannten Faktoren wäre das nicht klug gewesen. Hier war Deckas auf seinem Territorium. Er kannte hier jeden Fleck, und man wusste nicht, ob er nicht seine Helfer hatte.
Der Killer überraschte Rapp, indem er das letzte Gebäude in der Straße betrat, allem Anschein nach ein Wohnhaus.
»Was soll das jetzt?«, murmelte Rapp vor sich hin.
Er überblickte das Haus, um zu sehen, wo überall Licht brannte. Eine halbe Minute später war kein einziges Licht aus- oder eingeschaltet worden. Irgendetwas sagte Rapp, dass es vielleicht ratsam sein könnte, etwas weiter vom Fenster wegzugehen. Er trat zwei Schritte zurück. Wenn dieser Typ ein Nachtsichtzielfernrohr hatte, konnte er auch in einer der dunklen Wohnungen sitzen und das Hotel absuchen, um zu sehen, ob ihn jemand beobachtete. Wäre Rapp an seiner Stelle gewesen, so hätte er genau das getan. Rapp trat noch einen Schritt zur Seite und blickte auf das Display seiner Kamera. Mit dem rechten Daumen drehte er am Scroll-Rad und ging die Fotos durch, bis er das richtige fand. Die Qualität war nicht gerade überwältigend, aber er konnte immerhin etwas erkennen, das wie ein Arm aussah, der durch das Autofenster gestreckt wurde. Er ging noch ein Foto zurück, und das Display zeigte den grellen Blitz von Mündungsfeuer. Plötzlich war das Bild viel klarer. Rapp konnte eindeutig eine Pistole mit Schalldämpfer erkennen.
Das musste Alexander Deckas sein, und wenn er von dem Mann im Auto wusste, dann wusste er wahrscheinlich auch von den beiden anderen, die auf ihn warteten. Er würde nun entweder versuchen, ihnen zu entkommen, oder er würde sie töten. Nach dem, was Rapp gerade beobachtet hatte, würde es wohl eher Letzteres sein. Aber warum jetzt dieses Wohnhaus? Rapp dachte an den korpulenten Kerl, den er ein paar Stunden vorher beobachtet hatte, wie er dem Cafébesitzer Geld zusteckte. Der Alte wirkte nicht gerade erfreut, als er mit dem Killer sprach. Es war anzunehmen, dass sie Druck auf ihn ausübten oder ihm sogar gedroht hatten. Der Alte hatte im Moment verschiedene Möglichkeiten – er konnte mitspielen, zur Polizei gehen oder seinen Mieter warnen. Und wenn dieser Mieter tatsächlich Alexander Deckas war, oder wie auch immer sein richtiger Name lautete, und der Alte wusste, wie Deckas sich sein Geld verdiente, dann konnte es durchaus sein, dass er ihn warnte. Rapp hatte soeben gesehen, wie Deckas einen angeheuerten Killer mitten auf einer belebten Straße ausschaltete, ohne die geringste Aufmerksamkeit zu erregen.
Rapp wurde in seinen Gedanken unterbrochen, als sein Telefon klingelte. Er nahm an, dass es Coleman oder Brooks war, deshalb drückte er den Knopf an seinem Ohrhörer. »Wo seid
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