Der Verrat
Beinfreiheit und konnte die Rückenlehne in eine bequeme Schlafposition nach hinten kippen.
Rapp saß ganz hinten auf der Backbordseite. Er sah auf seine Uhr und konnte sich nicht mehr erinnern, ob er sie umgestellt hatte, bevor sie Deutschland verlassen hatten. Wahrscheinlich hatte er es getan. Der Pfeil außen am rotschwarzen Zifferblatt der Submariner-Uhr zeigte auf elf Uhr – die Zeit, für die ihre Ankunft in Washington geplant war. Also in etwas mehr als zwei Stunden. Der Zwischenstopp in Deutschland hatte etwas länger gedauert, als sie beabsichtigt hatten. Sie waren gelandet, um eine Fracht an Bord zu nehmen und so ihre Spuren zu verwischen. Dabei hörte das Warnlicht an einer Tür des Frachtraums nicht auf zu blinken, obwohl eine Inspektion ergab, dass mit der Tür alles in Ordnung war. Fast drei Stunden standen sie auf dem Rollfeld und warteten, dass das Warnlicht endlich ausging.
Dabei wachte der Russe auf. Das Einzige, was sie bis dahin aus ihm herausbekommen hatten, war sein falscher Name. Rapp wusste, dass er falsch war, weil Dumond ihn mithilfe der Datenbank in Langley überprüft hatte und dabei etwas über Alexander Zhukov fand. Es stimmte so gut wie nichts mit dem Mann hier überein. Alter, Größe, Gewicht, Augenfarbe – alles falsch; das Einzige, was passte, waren die schwarzen Haare und die Tatsache, dass Zhukov früher für den KGB gearbeitet hatte.
Rapp verspürte den Drang, den Kerl zu verprügeln, weil er gelogen hatte, doch er hielt sich zurück und beschloss, damit wenigstens so lange zu warten, bis sie wieder in der Luft waren. Trotz seines gebrochenen Kiefers versuchte der Russe immer wieder zu sprechen. Rapp war erschöpft und verlor allmählich seine Geduld. Brooks spürte das und verpasste dem Russen noch eine Dosis Thorazin, um ihn für eine Weile außer Gefecht zu setzen. Als das Flugzeug endlich startete, war Rapp so müde, dass er nur noch schlafen wollte. Das war etwa drei Stunden her.
Rapp öffnete seinen Gurt und stand auf. All die Jahre, in denen er seinem Körper alles abverlangt hatte, begannen sich nun bemerkbar zu machen. Der Rücken, die Knie, die Hüfte – alles tat ihm weh. Er verspürte ein kurzes Schwindelgefühl und stützte sich auf den Sitz vor ihm. Auf diesem Platz saß Brooks, die sich über ihren Laptop beugte. Sie spürte, wie ihr Sitz sich bewegte, und blickte auf. »Kann ich irgendwie helfen?«, fragte sie ziemlich kühl.
Rapp wusste, dass er ein bisschen zu streng mit ihr gewesen war, doch er hatte sich noch nicht entschieden, ob er sich dafür entschuldigen würde. Sie arbeiteten in einem harten Geschäft. Die Arbeit in der CIA im Allgemeinen hatte mehr mit einer Tätigkeit bei IBM gemeinsam, als die meisten Leute gedacht hätten. Etwas ganz anderes war der Clandestine Service, in dem sie tätig waren. Dieser Bereich der CIA hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit der Wall Street; scheue Künstler und empfindsame Naturen waren hier fehl am Platz. Wer auf Bestätigung und Lob als Motivation für seine Arbeit angewiesen war, der war gut beraten, es woanders zu versuchen.
»Möchtest du einen Kaffee?«
Sie sah ihn einige Augenblicke schweigend an. »Sicher«, sagte sie schließlich.
Es gab eine kleine Bordküche vorne in der Kabine. Daneben waren zwei Schlafkojen eingerichtet. In der einen schlief Stroble, in der anderen Coleman. Dazwischen waren blaue Vorhänge angebracht, um ein wenig Privatsphäre zu schaffen. Rapp öffnete leise einen der Metallschränke und nahm ein Päckchen Kaffee heraus. Er füllte Kaffee in die Maschine und drückte auf den grünen Knopf. Während er auf den Kaffee wartete, streckte er sich einige Male und machte ein paar Lockerungsübungen. Als es so weit war, füllte er zwei Becher und ging damit zu Brooks zurück.
Sie stellte den Laptop auf den Sitz neben ihr und nahm den weißen Becher entgegen. »Danke.«
»Nichts zu danken.« Rapp setzte sich auf die Armlehne des Sitzes auf der anderen Seite des Ganges.
»Siehst du – war gar nicht so schwer, oder?«
»Was?«, fragte Rapp stirnrunzelnd.
»Manieren … ich sage danke … du sagst ›nichts zu danken‹.«
Er verdrehte die Augen. »Weißt du«, sagte er, »du hast deine Sache in den letzten Wochen nicht so schlecht gemacht.«
»Wow … was für ein dickes Lob, Partner.« Sie hob die Augenbrauen in gespieltem Staunen. »Schreibst du es so in meine Akte: ›Hat ihre Sache nicht so schlecht gemacht‹?«
»Hör mal, du musst verstehen, das ist kein einfacher Job. Ich
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