Der Verrat
sie genau untersuchen.«
»Ich glaube, du bist ein bisschen paranoid.«
»Ich glaube, du bist ein bisschen naiv.« Rapp sah auf seine Uhr. »Wir haben nicht viel Zeit – also, wir gehen folgendermaßen vor: Unser russischer Freund hier …« – Rapp zeigte über seine Schulter auf den schlummernden Rüpel in der Ecke – »… hat einer von euch irgendjemandem erzählt, dass es ihn gibt?«
Coleman, Stroble und Brooks schüttelten den Kopf.
»Gut. Er existiert nicht.«
»Was hast du mit ihm vor?«, fragte Brooks.
Rapps Geduld gelangte an ihre Grenzen. »Das hier ist eine gute Gelegenheit für dich, zuzusehen und etwas zu lernen.«
»Wirst du ihn töten?«
»Brooks, sieh mir in die Augen, damit es keinen Zweifel gibt, dass du verstehst, was ich dir jetzt sage.«
Sie verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust und sah ihn mit ihren grünbraunen Augen an.
»Hör auf mit deinen ständigen Fragen. Das hier ist kein verdammter Debattierklub. Das ist eine wohlwollende Diktatur – und im Moment fühle ich mich nicht sehr wohlwollend, also wenn du nicht erleben willst, dass du irgendwohin in ein Sekretariat ins Ausland versetzt wirst, dann tust du in den nächsten zwei Stunden genau das, was ich dir sage. Schaffst du das oder nicht?«
Sie überlegte einen Augenblick und sagte schließlich widerwillig: »Ja.«
21
Rapp riss die Aluminiumtür auf und blickte auf Gazich hinunter. An dem bleichen Gesicht des Gefangenen konnte man deutlich erkennen, dass die Wirkung des Morphiums abgeklungen war. Stirn und Oberlippe waren mit Schweiß bedeckt, und sein ganzer Körper zitterte unter der grauen Decke. Rapp wusste aus eigener Erfahrung, dass es in einem solchen Zustand schon schmerzhaft sein konnte, wenn man von der Dunkelheit ins Licht kam. Er sah, wie der Bosnier die Augen schloss, und zuckte zusammen, wohl wissend, wie er sich fühlen musste. Rapp mochte Gazich nicht, aber er genoss das Leiden des Mannes nicht.
Rapp hatte zuvor fünf Minuten mit Marcus Dumond telefoniert, um mehr über Gazich zu erfahren. Hacket und Wicker hatten in Gazichs Büro und seinem Haus interessante Dinge gefunden – Reisepässe, Informationen über seine Finanzen, einen Schlüssel zu einem Bankschließfach, Bargeld, Waffen, Computer und Speichermedien. Alles wurde gescannt oder fotografiert und zu Dumond nach Washington geschickt. Die Informationen vermittelten ihnen einen guten Eindruck davon, was Alexander Deckas in den vergangenen sieben Jahren gemacht hatte. Dumond behandelte den Gefangenen mittlerweile so, als handelte es sich um zwei verschiedene Personen. Gavrilo Gazich war der Mann, der vom Internationalen Tribunal in Den Haag wegen Kriegsverbrechen in Bosnien gesucht wurde, und Alexander Deckas war ein scheinbar ganz normaler Geschäftsmann, der in Limassol eine Firma namens Aid Logistics Inc. betrieben hatte.
Hacket und Wicker hatten den Inhalt der Festplatten von Gazichs Computern via Satellit an Dumond geschickt. Bis jetzt hatte das Computergenie die Verschlüsselungssoftware nicht knacken können, doch er ging davon aus, es noch im Laufe des Tages zu schaffen. Rapp wies ihn darauf hin, dass niemand in Langley mitbekommen durfte, was er machte, nicht einmal Direktor Kennedy. Dumond war es gewohnt, an streng geheimen Dingen zu arbeiten, aber die Direktorin war doch so gut wie immer eingeweiht. Rapp versicherte Dumond, dass er ihm alles erklären würde, wenn sie sich in ein paar Stunden sahen. Im Moment ging es zunächst darum, Gazich zum Reden zu bringen, bevor er ihn ans FBI übergeben musste.
Rapp trat einen Schritt nach links, um das Licht abzuschirmen, das Gazich ins Gesicht leuchtete. Der CIA-Mann zeigte ihm die Spritze, die er mitgebracht hatte. »Also, das Spiel läuft folgendermaßen ab: Ich stelle Ihnen jetzt einige Fragen. Wenn Sie sie wahrheitsgemäß beantworten, bekommen Sie das Morphium. Wenn Sie mich auch nur einmal anlügen – kein Morphium.«
Gazich nickte eifrig.
»Ich möchte eines klarstellen … ich weiß mehr über Sie, als Sie sich vorstellen können. Ich habe mit dem Russen gesprochen«, log Rapp. »Der, dem Sie das Gesicht zerschnitten haben. Er hat mir ein paar sehr interessante Dinge über Sie verraten.«
»Die Russen sind notorische Lügner«, knurrte Gazich.
Rapp hob warnend einen Finger. »Wir haben Ihr Büro und Ihr Haus durchsucht und Ihr Foto mit unserem Gesichtserkennungssystem überprüft. Wir haben auch Bildmaterial, wie Sie sich gerade einen Kaffee im Starbucks in der Wisconsin
Weitere Kostenlose Bücher