Der Verrat
auch gehört.«
»Ich rufe Sie zurück, sobald ich mit unserem Freund gesprochen habe.«
»Sparen Sie sich die Mühe«, erwiderte Garret. »Sagen Sie ihm nur – wenn er das Problem nicht unverzüglich behebt, habe ich nicht vor, meinen Teil der Abmachung einzuhalten.«
»Er wird nicht erfreut sein, das zu hören.«
»Es ist mir scheißegal, worüber er erfreut ist oder nicht. Er soll das tun, was er versprochen hat, und zwar heute noch.« Garret knallte den Hörer auf die Gabel und verließ das Büro.
27
Langley, Virginia
Irene Kennedy saß hinter ihrem Schreibtisch und verfolgte, wie McMahon und Juarez sich in eine immer größere Wut hineinsteigerten. Sie kannte beide Männer sehr gut. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie so in Rage gerieten; sie machten ihre Jobs mit großer Leidenschaft. Ungewöhnlich war nur, sie beide gleichzeitig so wütend zu sehen. Nun, das stimmte nicht ganz. Das Besondere an der Situation bestand darin, dass beide über dieselbe Sache wütend waren. Ihre Jobs brachten es mit sich, dass sie die Dinge aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachteten und deshalb nicht immer zu denselben Schlussfolgerungen gelangten. Was Juarez als das Beste für Amerika ansah, entsprach nicht immer dem, was das FBI dafür hielt. Bei McMahons Job ging es im Wesentlichen darum, auf die Einhaltung der Gesetze zu achten und diejenigen festzunehmen, die dagegen verstießen. Juarez’ Job bestand darin, Männer und Frauen in andere Länder zu schicken, um Spione zu rekrutieren, Informationen zu sammeln, verdeckte Operationen durchzuführen und dabei auf Schritt und Tritt Gesetze zu verletzen. Es bestand also eine grundsätzliche Unvereinbarkeit zwischen den beiden Aufgaben.
Mitch Rapp hatte es irgendwie geschafft, die beiden Männer auf eine Linie zu bringen, was für Irene Kennedy ein weiteres Alarmsignal war. Mitch war ein respektloser Mitarbeiter, der sich niemals im Zaum halten ließ. Er war wie der Top-Verkäufer einer Firma, der sich nicht um seinen Verkaufsleiter scherte, der zu jeder Sitzung zu spät kam oder gar nicht auftauchte und der im Grunde tat, was er wollte, solange seine Verkaufszahlen stimmten. Fast jede erfolgreiche Firma hatte einen Mitarbeiter dieses Typs. Das waren Männer und Frauen, die dann am besten waren, wenn ihre Vorgesetzten sie in Ruhe ließen. Kluge Chefs wussten, dass man solche Leute am besten gewähren ließ. In gewisser Weise war Rapp seit über zehn Jahren der Top-Mann im Außendienst der CIA, und Juarez war sozusagen sein Verkaufsleiter. Juarez hatte nichts gegen Rapp. Er hatte selbst oft genug die Drecksarbeit der verdeckten Operationen gemacht, und das verband die beiden Männer, was in einer Bürokratie, in der neunundneunzig Prozent der Mitarbeiter einen Schreibtischjob innehatten, einiges wert war. Juarez respektierte Rapp – ja, er schätzte ihn sehr und war darauf angewiesen, dass Rapp auch dort etwas bewirkte, wo andere machtlos waren. Das Problem lag, wie Kennedy wusste, in der Tatsache, dass Rapp eine Rekrutin von Juarez in die Bredouille gebracht hatte. Rapp hatte Brooks in eine Sache hineingezogen, die sich schon bald zu einem Kriminalfall auswachsen konnte. Die ganze Sache konnte einen schweren Schlag für den Clandestine Service bedeuten und Juarez seinen Jobs kosten.
»Das Videoband vom Starbucks«, betonte McMahon, »reicht nicht aus, um den Kerl zu verurteilen. Der Justizminister ist völlig aus dem Häuschen. Ihr habt uns gesagt, dass ihr den Richtigen habt.«
»Das stimmt auch«, erwiderte Kennedy ruhig. Sie hatte fast einen Tag Zeit gehabt, um die Situation zu überdenken, und es war ihr fast ein wenig peinlich, dass sie ihr Urteil von ihren eigenen Emotionen hatte trüben lassen. Zuerst einmal nützte es überhaupt nichts, auf Rapp wütend zu sein. Nach all den Jahren hätte sie wissen müssen, dass er wieder einmal das tun würde, was er selbst für das Beste hielt – egal wie die Anweisungen aus dem Hauptquartier aussahen.
»Gibt es dafür irgendeinen Beweis?«
»Im Moment noch nicht.«
»Verdammt.« McMahon hatte das Jackett seines dunkelblauen Nadelstreifenanzugs aufgeknöpft und stemmte die Hände in die Hüfte. Rechts trug er seine Pistole, und über der linken Hosentasche hatte er seine Dienstmarke am Gürtel befestigt. Seine FBI-Papiere von der Größe eines Reisepasses hatte er nie bei sich. Manche Leute benahmen sich komisch, wenn sie eine Pistole sahen – deshalb trug er seine Dienstmarke gut sichtbar am Gürtel.
»Dann müsst
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