Der Verrat
lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und blickte aus dem Fenster, ehe sie antwortete. »Gestern habe ich das Wesentliche noch nicht gesehen. Ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht.«
»Was für einen Fehler?«
»Ich hätte den Präsidenten besser beraten müssen.«
»Inwiefern?«
»Dass wir mit der Sache an die Öffentlichkeit gehen …«, antwortete sie kopfschüttelnd, »ich meine, so schnell … das war keine gute Idee.«
»Mitch hat gesagt, dass er den Richtigen erwischt hat. Hundertprozentig. Da liegt es doch auf der Hand, ihn der Justiz zu übergeben.«
»Wir hätten damit noch ein bisschen warten können … eine Woche oder zwei, oder vielleicht hätten wir Mitch das Problem für uns lösen lassen sollen.«
»Das habe ich jetzt nicht gehört«, warf McMahon ein und schloss die Augen.
»Was geschehen ist, ist geschehen«, stellte Juarez fest. »Was ich will, sind Antworten. Ich gebe Brooks gern noch eine Chance. Rufen wir sie herein, machen wir ihr klar, welche Möglichkeiten sie hat, und gehen wir der Sache auf den Grund. Ich will endlich wissen, warum Mitch sich versteckt.«
Kennedy sah Juarez einen Moment lang an und wandte sich dann McMahon zu.
»Würde es helfen«, fragte McMahon, »wenn ich hinausgehe?«
»Wahrscheinlich«, antwortete Juarez.
»Ich glaube nicht, dass das eine Rolle spielt«, widersprach ihm die Direktorin.
»Warum?«, fragte Juarez.
»Ich glaube nicht, dass sie reden wird, aber wir können es ja versuchen.« Kennedy beugte sich vor und drückte den Knopf der Sprechanlage. »Sheila, würden Sie bitte Miss Brooks hereinschicken?«
Kennedy stand auf und wies auf die Couch und die Sessel gegenüber dem Schreibtisch. Sie registrierte den missbilligenden Ausdruck in Juarez’ Gesicht. »Wir versuchen es zuerst auf die zivilisierte Weise.«
»Na schön«, brummte Juarez. »Sie können ruhig den guten Cop spielen und Skip den bösen. Ich spiele den tyrannischen Chef. So wie meine Stimmung momentan ist, brauche ich mich da nicht zu verstellen.«
28
Washington D. C.
Das Cybercafé war eines von diesen Lokalen, wie man sie heutzutage überall dort findet, wo sich eine lebendige bunte Kultur entwickelt hat. Diese Cafés wurden meistens von einem Inhaber allein betrieben, oder von einer Gesellschaft, die höchstens ein halbes Dutzend Lokale dieser Art unterhielt. Sie waren alle irgendwie anders, und einander doch wieder ähnlich. Was sie einte, war ihre Abneigung gegen Starbucks; sie waren alle mit klapprigen Secondhand-Möbeln ausgestattet, und das Personal zeichnete sich nicht selten durch Piercings, Tattoos und eigenwillige Frisuren aus. Die Lokale boten einen freien Internetzugang an und bildeten einen Zufluchtsort für all jene, die das übliche Einerlei satt hatten.
Dieses Lokal trug den Namen »Café Wired«. Ein großes handgemaltes Schild hing über dem breiten Glasfenster neben dem Eingang. Auf einer Seite des Namens war eine dampfende Tasse Kaffee dargestellt, auf der anderen ein Laptop. Mittlerweile gab es drei von diesen Lokalen in der Stadt – eines in Bethesda, eines bei der American University und dieses hier ein paar Blocks von der Howard University entfernt, ganz in der Nähe von Rapps Wohnung.
Rapp war stiller Teilhaber des Cafés. Er und sein Bruder Steven hatten das Geld zur Verfügung gestellt, und Marcus Dumond führte das Lokal. Rapp arbeitete nun schon fast fünf Jahre mit dem Cyber-Genie zusammen. Dumond hatte zusammen mit Rapps Bruder am MIT, dem Massachusetts Institute of Technology, studiert. Während er sein Studium der Computerwissenschaft absolvierte, bekam Dumond großen Ärger mit der Polizei. Um eine Wette mit ein paar Studienkollegen zu gewinnen, drang er als Hacker in das System von einer der größten Banken in New York ein und transferierte über eine Million Dollar auf verschiedene Überseekonten. Er wurde nicht gefasst, weil er eine Spur hinterließ, sondern weil er sich eines Nachts mit seinen Freunden betrank und damit prahlte, wie einfach der Coup gewesen sei. Ein Kollege bekam die Sache mit und ging zur Polizei. Dumond sah einem längeren Gefängnisaufenthalt entgegen, als Steven seinen Bruder anrief und ihn bat, sich für den Jungen einzusetzen.
Die CIA hängt es nicht an die große Glocke, dass sie einige der weitbesten Computerhacker in ihren Reihen hat. Diese Männer und Frauen verbringen ihre Tage und Nächte damit, sich unbemerkt in die Netzwerke der Feinde Amerikas einzuschleichen. In den meisten Fällen sind sie erfolgreich,
Weitere Kostenlose Bücher