Der Verrat
Banker suchte gerade in seiner Datenbank nach dem Namen. Nach wenigen Sekunden erschien das Kundenprofil zu Deckas auf dem Bildschirm.
»Es ist ein Grundsatz unseres Hauses, nicht über unsere Kunden zu sprechen.«
»Mr. Kapodistras, Sie waren im Jahr 2001 stellvertretender Direktor der Bank. Können Sie sich noch erinnern, wie es für Ihr Geschäft war, als herauskam, dass Osama bin Laden zypriotische Banken benutzt hat, um seine Al-Kaida-Gelder zu verstecken?«
Rapp hatte den offiziellen Bericht gesehen. Beamte der staatlichen Aufsichtsbehörde und FBI-Agenten hatten das Bankwesen der Mittelmeerinsel durchleuchtet. Jahrzehntelange Aufbauarbeit der zypriotischen Banken, die sich als »Schweiz des Mittelmeerraums« darstellten, wurde über Nacht durch die Taten einiger Fanatiker zerstört. Die Leute legten ihr Geld in Zypern an, weil sie die gleichen Vorzüge geboten bekamen wie in der Schweiz: absolute Diskretion und außergewöhnlichen Service. Und das oft zur Hälfte der üblichen Gebühren. Dass man weniger bezahlte, war ganz nett, aber das Wichtigste war die Diskretion. Nach dem elften September liefen die Kunden in Scharen davon – insbesondere Leute, die nichts mit Terrorismus zu tun hatten, die aber um jeden Preis vermeiden wollten, dass irgendwelche Behörden erfuhren, wie viel Geld sie besaßen oder, noch schlimmer, wie sie es sich angeeignet hatten.
»Das war eine schwierige Zeit in meinem Geschäft«, antwortete der Banker, »aber schwere Zeiten bringen auch Chancen mit sich.«
Kapodistras klang durchaus wie ein Mann, mit dem sich verhandeln ließ. »Nun, ich biete Ihnen heute eine solche Chance«, sagte Rapp.
»Was für eine Chance?«
»Eine Chance, Ihrer Bank etwas zu ersparen.«
»Was?«
»Untersuchungen, die Sie nicht gebrauchen können. Ein Heer von Beamten der Aufsichtsbehörde aus Nikosia und ein noch größeres Heer von FBI-Agenten, die Ihre Unterlagen durchgehen … Zeile für Zeile. Und natürlich Medien, die sich vor Ihrer Bank postieren und Ihre Kunden vertreiben. Es wäre nicht angenehm, das können Sie mir glauben.«
Es folgte eine lange Pause, ehe Kapodistras antwortete. »Für wen arbeiten Sie?«
»Die amerikanische Regierung.«
»Und warum wollen Sie mir den Gefallen tun?«
»Ich bin ein ungeduldiger Mensch, und ich glaube, wir können beide das bekommen, was wir wollen, ohne das Ganze zu einem öffentlichen Spektakel zu machen.«
»Sie interessieren sich für diesen Alexander Deckas?«
»Ja.«
»Darf ich fragen, warum?«
»Ja. Erinnern Sie sich an den Anschlag auf den Konvoi des designierten Präsidenten Alexander vergangenen Oktober?«
»Das Attentat, bei dem seine Frau ums Leben kam?«
»Ja.«
»Was ist damit?«
»Ihr Kunde war der Mann, der die Bombe gezündet hat.«
Es kam kein verlegenes Lachen, kein Dementi, nur Schweigen, das mindestens zehn Sekunden andauerte. »Haben Sie Beweise dafür?«, fragte er schließlich.
»Mehr, als Sie sich vorstellen können, darunter ein Geständnis, aber ich möchte das Ganze abkürzen und gleich auf den Punkt kommen. In zweieinhalb Stunden wird das FBI verkünden, dass sie Mr. Deckas festgenommen haben. Die Beweise gegen ihn sind erdrückend. Ein Team von FBI-Agenten ist schon unterwegs zu Ihrer Insel. Sie sollten in wenigen Stunden dort sein. Ich biete Ihnen zwei Möglichkeiten an: eine ganz diskrete, und eine mit schwerwiegenden Folgen für Sie.«
»Ich höre.«
Rapp legte die Hand auf die Sprechmuschel und flüsterte Dumond zu: »Sag Wicker und Hacket, sie sollen in sein Büro gehen.« Rapp nahm die Hand weg und sprach wieder ins Telefon. »Am Samstagabend haben meine Leute Mr. Deckas in Gewahrsam genommen und nach Amerika gebracht. Wir haben sein Büro und sein Haus in Limassol durchsucht und sind im Besitz seiner Bankunterlagen und eines Schlüssels für ein Schließfach in Ihrer Bank.«
»Und Sie möchten gern sehen, was in dem Schließfach ist.«
»Genau.«
»Und wenn ich ablehne?«
Rapp seufzte. »Wenn Sie Nein sagen, dann übergebe ich alles an das FBI. Sie werden wahrscheinlich noch heute Abend zusammen mit den zypriotischen Behörden bei Ihnen zu Hause aufkreuzen, mit Ihnen zu Ihrer Bank fahren und Sie zwingen, das Schließfach zu öffnen. Die Leute vom FBI sind bekannt gründlich und misstrauisch, und sie werden alle Ihre Unterlagen durchgehen, um sich zu vergewissern, dass keiner Ihrer sonstigen Kunden mit Deckas zu tun hat. Die zypriotischen Behörden werden das erlauben, weil sie sich als gute
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