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Der Verrat: Thriller (German Edition)

Der Verrat: Thriller (German Edition)

Titel: Der Verrat: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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offensichtlich ernst genommen. Auf der Fahrt zurück nach Essex brachte sie noch einmal die Sprache darauf. »Ich bin froh, dass Jimmy keine Angst vor meinem neuen Aussehen hat«, sagte sie.
    »Er weiß, wer du bist. Und er weiß, dass er dich liebt.«
    »Er hat schon immer gewusst, wer ich bin. Nicht wie die Fans, die sich von Leanne täuschen lassen.«
    »Die Leute sehen, was sie zu sehen erwarten«, antwortete ich. »Deshalb sind Aussagen von Augenzeugen vor Gericht bekanntermaßen unzuverlässig. Unsere Augen erhaschen einen flüchtigen Eindruck von etwas, und unser Gehirn füllt den Rest des Bildes aus und stützt sich auf das, was wir im Gedächtnis haben und aus Erfahrung kennen. Fans in einem Club oder Kunden bei einer Modenschau oder hinter der Bühne erwarten nach einem Auftritt, Scarlett zu sehen, also bestätigt ihnen ihr Gehirn das. Du hättest vielleicht Probleme bekommen, wenn Joshu angefangen hätte herumzufaseln und die Leute nach Einzelheiten gesucht hätten, die nicht zueinander passen. Dann hätten sie sie nämlich auch gefunden. Aber Gott sei Dank ist es nie so weit gekommen.«
    »Jetzt wäre es allerdings gar nicht nötig, dass Joshu labert. Schau mich nur an. Ich habe zugenommen, hab ein Mondgesicht und keine Haare mehr. Ich kann Leanne doch nicht herumlaufen lassen wie mein altes Ich, oder?«
    Ich glaube, ich hatte über diese Frage nicht wirklich nachgedacht, bis Scarlett sie aufwarf. »Du meinst, es ist Zeit, dass sie wieder brünett wird?«
    Scarlett seufzte. »Zunächst mal. Ja. Sie muss sich auch einen anderen Haarschnitt zulegen. Kurz, etwas, das ihre Gesichtsform anders aussehen lässt. Aber das ist noch nicht genug. Ich glaube, es ist vielleicht Zeit, dass sie sich nach Spanien verzieht.«
    Ich war schockiert, dass sie das so lässig und wie nebenbei erwähnte. Leanne hatte damals zwei Jahre mit ihr zusammengelebt. Sie hatte geholfen, die Situation wieder in den Griff zu bekommen, nachdem Scarletts Ehe zerbrochen war. Sie hatte eine wichtige Rolle bei Jimmys Erziehung gespielt. In der Zeit der Krebsdiagnose hatte sie sie aufgefangen, gar nicht zu reden von der Erschöpfung und der Depression, die die Chemo nach sich zog. Und jetzt sprach Scarlett davon, ihre Cousine ins Exil zu schicken, und zeigte dabei so viel Emotion wie im Jahr zuvor, als sie den Fensterputzer gewechselt hatte.
    »Meinst du nicht, dass du ihre Hilfe brauchen wirst, um den Rest der Therapie durchzustehen? Sie ist doch wirklich ein Fels in der Brandung gewesen.«
    Scarlett griff in die Tasche, holte ihre Wasserflasche heraus, trank einen großen Schluck und schmatzte zufrieden. »Es war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte«, sagte sie. »Ja, ich fühle mich beschissen nach der Behandlung, aber ich schaff das schon. Ich habe ja Marina, die sich ums Kochen und um Jimmy kümmert und der Putzfrau sagt, was sie machen soll.« Sie tätschelte meinen Oberschenkel. »Und du bist phantastisch gewesen. Ohne dich hätte ich es nicht geschafft, Steph. Aber im Moment kann ich es wirklich nicht brauchen, dass jemand Leanne im Supermarkt sieht, wo sie wie eine gesunde Version von mir herumläuft. Nur ein übermütiger Amateur, der einen Schnappschuss macht und ihn auf Twitter hochlädt oder ein Video von ein paar Sekunden auf YouTube, und plötzlich stellen alle Klatschblätter die falschen Fragen.« Sie nahm ihren Hut ab und kratzte sich am Kopf. »Dem wär ich nicht gewachsen«, fügte sie hinzu. »Auf keinen Fall.«
    Sie hatte recht. Und es war ja nicht so, als hätte Leanne Grund, sich zu beklagen. Sie hatte getan, was von ihr verlangt worden war, zweifellos. Selbst wenn sie etwas getrunken hatte, selbst noch spät in der Nacht, wenn die freien Journalisten so taten, als seien sie ihre Freunde, selbst wenn in der Toilette des VIP-Bereichs Koks angeboten wurde, hatte sie den Mund gehalten und niemals auch nur eine Andeutung gemacht, dass ein dunkles Geheimnis unter der Oberfläche lauerte.
    Aber andererseits hatte sie ein Leben geführt, von dem sie nur hatte träumen können, als sie sich ganz unten auf der sozialen Leiter in einer schäbigen Wohnsiedlung eines Dubliner Außenbezirks schlecht und recht durchschlug. Sie hatte Wohnung und Verköstigung gehabt, Geld in der Tasche für Kleider, Make-up und Wellness-Behandlungen. Sie war auf jeder coolen Party und in jedem angesagten Club gewesen und hatte, anders als die meisten anderen Häschen in der Szene, nicht mit jemandem schlafen müssen, um dabei zu sein. Selbst

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