Der Verrat: Thriller (German Edition)
doch sie folgte der Unterhaltung nicht. Nach ein paar Minuten unterbrach sie das Gespräch. »Kann ich mit zum Haus kommen? Ich verspreche, dass ich nicht im Weg sein werde. Ich möchte, dass Jimmy sich so bald wie möglich sicher fühlt. Ich sollte da sein, wenn Sie ihn herausbringen.«
»Das kommt nicht in Frage, Ma’am«, entgegnete der Rothaarige.
Plötzlich hatte sie eine Eingebung. »Sie werden mich brauchen, wenn es zu einer Geiselnahme kommt«, war ihr cleverer Einwand. »Es würde Zeit sparen, wenn ich dann schon vor Ort wäre.«
Vivian lächelte bitter. »Sie hat nicht unrecht. Ich sage, wir nehmen sie mit.«
Die Männer in Schwarz steckten die Köpfe zusammen. Es schien ihnen nicht zu passen, doch letztendlich stimmten sie zu. Stephanie konnte in einem der Einsatzfahrzeuge warten.
Zufrieden mit sich folgte sie den anderen zurück zum Parkplatz. Sie fuhren weniger als eine halbe Meile und parkten hinter einem großen, unauffälligen Transporter. Die beiden Männer in Schwarz lösten sich von der Gruppe und verschwanden in der Dunkelheit, während Vivian an die Tür des Transporters klopfte. Sie zeigte ihren Ausweis, und sie stiegen beide ein. Zwei Männer und eine Frau waren über eine Reihe von Monitoren und Kommunikationstechnik gebeugt, mit Headsets auf den Ohren. Vivian erklärte, wer Stephanie war, und die Frau brummte einen Gruß und wies mit dem Daumen auf einen Notsitz in der hinteren Ecke. »Setzen Sie sich dort hin. Wir dulden Sie hier nur ausnahmsweise, also geraten Sie uns nicht in den Weg.«
Stephanie tat wie geheißen. Die Bildschirme erzählten die Art von Geschichte, die jeder versteht, der schon mal eine Polizisten-Dokusoap im Fernsehen gesehen hat. Der Blick über eine von Lampen erleuchtete Straße, die gesäumt war von hübschen Backsteinreihenhäusern. Insbesondere die Frontal- und Rückansicht eines Hauses. Dann das knallbunte Wärmebild eines Hauses mit zwei undeutlichen Umrissen darin. Ein Monitor zeigte ständig wechselnde Bilder von einer Gruppe von Männern, die ihre Schutzkleidung und ihre Waffen vorbereiteten, Gasmasken und Schutzbrillen aufsetzten, alles ofensichtlich von einer Helmkamera übertragen. Vermutlich waren alle Männer des Teams mit ähnlichen Kameras ausgestattet. Die Frau sagte: »Bereitmachen.« Und das Kaleidoskop, welches das Sondereinsatzteam mit seinen Kameras abbildete, wurde zu einer überschaubaren Ansicht der Vordertreppe. Dann befahl sie barsch: »Los, los, los.«
Jetzt lief alles ab wie in einem Film, nur ohne den Soundtrack. Vorder- und Hintertür wurden aufgebrochen und eine Blendgranate in den Hausflur gerollt. Die Männer stürmten durch beide Eingänge ins Haus. Stephanie stellte sich den Krach, den Rauch, den Geruch und die allgemeine Schockwirkung vor. Jimmy würde furchtbare Angst haben. Doch Pete würde es genauso gehen, und der Gedanke daran brachte sie zum Lächeln.
Die schweren Stiefel trampelten die Treppe hinauf und drangen in ein Schlafzimmer ein. Durch eine dichte Rauchwolke erkannte sie Pete, der sich die Bettdecke schützend vor die Brust zog. Er drückte sich an die Wand, während sein Mund sich zu unhörbaren Schreien öffnete und schloss. Gebannt beobachtete sie, wie drei Männer mit vorgehaltener Waffe ihn nackt aus dem Bett zerrten und auf den Boden warfen. Sie legten ihm Handschellen an und rissen ihn zurück auf die Füße.
Das Bild wechselte, und jetzt erklommen sie eine weitere Treppe. Man sah ein Bündel Bettwäsche, das in die Ecke eines Zimmers gedrückt lag. Einer der Männer trat vor und hob das Bündel in seine Arme. Alles, was Stephanie erkennen konnte, war der obere Teil eines dunkelhaarigen, strubbeligen Kopfes und den Arm eines Kindes, der sich ausstreckte und um den Nacken des FBI-Agenten legte. Doch das war genug.
Bevor sie jemand aufhalten konnte, hatte sie die Tür des Transporters aufgerissen und rannte die Straße hinunter, zielstrebig auf das Haus zu, das sie auf den Bildschirmen gesehen hatte. Während sie rannte, strömten ihr die Tränen über die Wangen, und ihr Mund war zu einem breiten Lächeln geöffnet. Als sie näher kam, trat der Beamte, der das Kind trug, aus der Tür und stieg die Stufen zur Straße hinunter.
Stephanie stürzte sich auf den Mann und zog die Decken vom Gesicht des Kindes zurück. Große, verwirrte braune Augen starrten sie an. Doch statt das Kind zu umarmen, schrak Stephanie zurück, das Gesicht von panischer Angst verzerrt.
Wer immer der Junge sein mochte, es war nicht
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