Der Verrat
fragen.«
Nick verdrehte dieAugen und Jamie grinste sie spitzbübisch an. Zumindest imAugenblick schien zwischen ihnen alles in Ordnung zu sein.
Die übliche Schülermenge verhielt sich anders als sonst, stellte Mae fest. Normalerweise drängten sie zurTür, doch heute waren sie auf dem Hof verteilt und standen in verschiedenen, weit verteilten Gruppen von Freunden zusammen. Irgendwie schienen alle durch einen geheimnisvollen Impuls gewarnt, sich von dem Dämon fernzuhalten.
Maes Gedankengang wurde von einemArm unterbrochen, der sich um ihre Schultern legte.
»Hi«, sagte Seb neben ihr, drückte kurz ihre Schultern und lieà sie dann los. »Hi Jamie.«
Jamie löste sich von Mae und stellte sich neben Nick, dem dies nicht entging. Er beobachtete die Reaktion, als sei er nicht ganz sicher, wie er darauf reagieren solle, doch dann fasste er offensichtlich einen Entschluss und schob sich schützend vor Jamie.
Dummerweise war er gewohnt, so etwas mit einerWaffe in der Hand zu tun, und so bekam Jamie seine Schultasche vor die Brust geknallt.
»Au!«, beschwerte er sich. »Was hast du denn da drin? Oh, nein, warte, ich ziehe die Frage zurück. Ich will das gar nicht wissen.«
»Spionagesachen«, knurrte Nick.
Seb bewegte sich kaum noch neben Mae. »Ryves«, sagte er, »ich wusste gar nicht, dass du wieder in der Stadt bist.«
Nick starrte ihn nur an. Es war ja wohl offensichtlich genug, dass er da war, also hielt er es nicht für nötig, darüber zu reden.
»Ein Freund von euch?«, fragte Seb Mae. Seine Stimme klang merkwürdig. Sie hatte Seb und Nick zusammen rumhängen gesehen, als Nick das letzte Mal hier gewohnt hatte. Sie hätte gedacht, dass die beiden irgendwie befreundet waren.
Offensichtlich nicht.
»Ja«, stieà Jamie hervor, dem sich die Nackenhaare sträubten wie einer zornigen Katze.
»Dabei fällt mir ein: Du wirst Jamie nie wieder belästigen«, sagte Nick zu Seb.
Es war eine Feststellung, eineTatsache, die nicht infrage gestellt werden konnte. Nick klang ein wenig gelangweilt.
»Du kannst mir zwar eigentlich keine Befehle geben, Ryves«, entgegnete Seb, »aber ich hatte das sowieso nicht vor.«
»Gut«, sagte Nick leise.
Seb sah Nick jetzt mit offensichtlicherWut an. Nick erwiderte den Blick nicht, aber seine Haltung war noch drohender als sonst.
»Wiedersehen sind ja so rührend«, brach Mae das angespannte Schweigen. »Hattest du ein schönesWochenende, Seb?«
Aus irgendeinem Grund hatte sie gedacht, Nick und Seb sähen sich ähnlicher, als sie es tatsächlich taten.Wahrscheinlich lag es daran, dass sie beide in das Schema »groÃ, dunkel und gut aussehend« passten â wenn man auf diese dunklenTypen stand.
Seb hatte in der Schule einen gewissen Ruf. Er geriet in Schlägereien, er hatte ein schlechtes Zuhause und lief die meiste Zeit zornig herum. Das reichte, um ihn als gefährlich gelten zu lassen.
Doch neben Nick sah er keineswegs gefährlich aus, sondern eher wie ein Cockerspaniel neben einem Rottweiler. Er war weder so groà noch so breit gebaut wie Nick, und Mae wusste, was Nick selbst ohne Magie zu tun vermochte. Er konnte Seb in Stücke reiÃen.
Seb war kein Magier, kein Dämon oder irgendjemand anderes, der so etwas verdient hatte, und Mae hatte plötzlich das Gefühl, ihn schützen zu müssen.
»MeinWochenende war ganz okay«, sagte Seb und sah sie lächelnd an. Um seinen Mund lag ein geheimnisvoller, freundlicher Zug und ein Potenzial fürWärme, das Nick schlicht fehlte.
Mae griff nach SebsArm. Er zuckte nicht zurück oder erstarrte, er war zwar überrascht, aber erfreut. Hinter ihnen hörten sie, wie die Schultür aufgeschlossen wurde.
»Komm, Nick«, sagte Jamie abrupt, und Mae wurde klar, wie ihre Geste auf ihn gewirkt haben musste. Er erwiderte ihren Blick nicht, sondern konzentrierte sich auf Nick.
Ihr Bruder schien sehr erleichtert, mit irgendjemandem weggehen zu können. Mae war nicht klar gewesen, wie falsch das Ganze abgelaufen war.
Sie hatte nicht gewusst, wie sehr Jamie Seb verabscheute. Sie hatte auch nicht bemerkt, wann Jamie angefangen hatte, Nick zu mögen, doch wenn sie jetzt darüber nachdachte, dann war es längst Zeit für seine nächste aussichtslose Liebe.
Nick sah Mae noch einmal an, bevor er Jamie in die Schule folgte, doch sein Blick war so leer wie sonst.Als sie
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