Der Verrat
er seine Grenzen und sie ergriff auch von seinem Körper Besitz. Das will ich ihm nicht erzählen.«
»Weil du jetzt anders bist«, sagte Mae wagemutig, aber Nick sah sie an, als sei sie verrückt geworden.
»Weil ich eben nicht anders bin«, sagte er. »Wenn ich mich daran erinnere, wie es war mitAnzu und Liannan ⦠Ich erinnere mich daran, dass wirVerbündete waren. Ich habe einen Handel mit ihnen abgeschlossen. Ich bin einVerräter. Und wenn ich zu lange über dieVergangenheit nachdenke, dann will ich ihnen ihre Körper geben.Warum sollte es mich interessieren, wie sich irgendein Mensch dabei fühlt?«
Er sprach dasWort fühlt aus, als stamme es aus einer fremden Sprache.
»Na gut«, sagte Mae und holte zögernd Luft, »aber sag dasAlan bitte auch nicht.«
Nick durfteAlan nichts davon erzählen. Er wusste nicht, dass GeraldAlan einenWeg gezeigt hatte, seinen dämonischen Bruder zu beherrschen, einenWeg, ihm seine Freiheit wieder zu nehmen.
Nur Mae wusste das.
»Warum nicht?«, wollte Nick wissen. »Weil es ihn verletzen würde?« Er verzog den Mund. »Dämonen haben kein Mitleid.«
Mae wusste auch noch ein paar andere Dinge. Sie erinnerte sich an Nick, der in einem Dämonenkreis im Haus des Magiers gefangen war, Nick blutend hinten imAuto. Er war in einen Kreis und einem Schwert entgegengetreten, für ihren Bruder.
An ihren Handgelenken brannte immer noch die Kälte, und ihr war ein wenig schlecht, aber es war sonst niemand da. Sie ging durch das Gras, stellte sich neben Nick und griff nach seiner Hand. »Sie reden aber auch nicht, oder?«, sagte sie. »Das kriegst du ganz gut hin. Du lernst ja erst.«
Nicks Schultern waren angespannt und seine Hand rührte sich nicht in ihrem Griff, erwiderte ihren Händedruck keineswegs.Aber er wich auch nicht zurück. »O ja, ich bin ja so ein toller Schüler.«
»Du steckst nur irgendwie fest«, behauptete Mae. »Aber zum Glück bin ich ja deine Lehrerin und ich bin auf vielen Gebieten einfach groÃartig.«
Sie betrachtete lieber konzentriert den Gartenzaun als Nick. Sein Ring drückte sich kühl an ihre Fingerspitzen und seine Schultern schienen sich ein wenig zu lockern.
»Ich möchte gerne helfen«, sagte sie leise. »Zwischen dir undAlan ist offensichtlich etwas schiefgelaufen. Kannst du mir sagen, was in Durham passiert ist?«
Sie spürte Nicks Bewegung und regte sich unwillkürlich ebenfalls, überschritt seinen Individualabstand so wie er den ihren. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm in dieAugen zu sehen, und spürte seinen warmenAtem auf ihrem Gesicht. Plötzlich war sie ganz fest davon überzeugt, dass er sich an sie wandte, umTrost zu finden.
»Kannst du mir bitte erst eines sagen?«, fragte er. »Warum bist du noch hier?«
Seine Stimme war so sanft, dass Mae zuerst einfach verwundert war. Dann entzog sie ihm heftig ihre Hand.
Er kam ihr noch näher.
»Das hier geht dich nichts an«, flüsterte er drohend. »Ich habe es satt, dir zuzuhören. Ich habe es satt, dich anzusehen. Geh nach Hause.«
»Geh zumTeufel«, erwiderte Mae.
Vielleicht hätte sie darauf bestehen sollen, bei ihm zu bleiben und ihmTrost zu spenden, egal, was er sagte, aber sie war nicht gerade ein fürsorglicher Engel, und sie hatte es nicht gerne, wenn man so mit ihr sprach.
Sie ging nach Hause. Sie lief den ganzenWeg, und als sie dieTreppe hinaufging, musste sie sich am Geländer festhalten und eine Hand vor die andere legen, um einen Fuà vor den anderen setzend hinaufzusteigen, als müsse sie einen steilen, schrecklichen Berg bezwingen.Am oberenTreppenabsatz tauchte Jamie auf und ging an derTreppe vorbei, entschlossen, sie immer noch zu ignorieren, doch dann sah er etwas in ihrem Gesicht, das ihn innehalten lieÃ.
»Du warst zweiTage lang nicht zu Hause«, sagte er unnatürlich steif, mit einer Stimme, die deutlich machte, dass er immer noch sauer war. »Hast du dich amüsiert?«
»Eigentlich nicht«, antwortete Mae schleppend. »Es ist alles ein wenig â¦Â«
DieWorte schienen den Bann zu brechen, den sie sich auferlegt hatte, um irgendwie denWeg in ihr Zimmer und in die Besinnungslosigkeit zu schaffen. Sie brach auf derTreppe zusammen, die Ellbogen auf die Knie gestützt und war sich einen Moment lang sicher, dass Jamie einfach an ihr vorbeigehen würde.
Doch sie
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