Der verruchte Spion
auf Blunt, auch wenn ihre Reisegeschwindigkeit heute um einiges geringer war als am Tag zuvor. Er war immer noch hinter Foster her, nur dass er jetzt keine Chance mehr hatte, ihn zu erwischen, bevor er in London eintraf.
Er war immer noch die Kobra, immer noch von der Gesellschaft als Lord Treason verachtet, immer noch auf Teufel komm raus darauf aus, den Letzten der Lilienritter an den Galgen zu bringen.
Nur hatte die Kobra jetzt Kopfschmerzen. In seinen nachsichtigeren Momenten war er gewillt, den Schmerz auf seinen Sturz zurückzuführen. In allen anderen entsetzlichen Augenblicken war er sich sicher, dass das Pochen in seinem Schädel von dem endlosen Geschnatter herrührte, das hinter ihm ertönte. Offensichtlich hatte er sich sehr an die Stille seiner Einsamkeit gewöhnt. Außerdem schien seine Begleiterin noch keinem Gesprächsthema begegnet zu sein, das ihr nicht lag.
»Wenn Ihr nach links schaut«, sagte sie gerade, »könnt Ihr unter der Ulme dort das Gewölle einer Eule entdecken. Selbstverständlich ist das Nest nicht hier in der Nähe, denn das würde andere Raubtiere anlocken. Ich habe einmal ein ganzes Schlangenskelett im Gewölle einer Eule gefunden. Ich habe Moira eine Kette aus der Wirbelsäule gemacht, aber der Faden ist beim ersten Tragen gerissen, und die Knochen
waren verloren – wenigstens hat mir das Moira damals erzählt. Ich glaube, tatsächlich war ihr nicht ganz wohl dabei. Heute kann ich das verstehen, aber als ich noch ein Kind war, fand ich die Knochen ganz reizend …«
Zuerst hatte er versucht, höflich zu antworten, obwohl es kaum nötig erschien. Dann hatte er sich eine Zeit lang darauf verlegt, hin und wieder schweigend zu nicken. Jetzt ritt er ihr eine Pferdelänge voraus und wünschte, er hätte wollene Ohrenschützer, die er tragen könnte.
Gut. Er war verheiratet, daran bestand kein Zweifel. Er reiste mit seiner Braut und allen Utensilien für ein eigenes Cottage. Mit Sicherheit glaubte das Mädchen, dass sie genau dorthin unterwegs waren. Zu einem kleinen eigenen Herd und einer großen Familie.
Leider konnte sein Leben so nicht aussehen. Seine Schmach weiterzugeben, Kinder zu haben, die seinen besudelten Namen trugen, war nicht akzeptabel. Seine Schande sollte mit ihm aufhören zu bestehen.
Für seine Frau würde er vielleicht einen Ort finden, an dem sie fern von ihm leben konnte und ihn so nicht zu einem Leben verführte, das ihm verwehrt war.
Leider hatte er jetzt keine Zeit, sich darum zu kümmern. Er war auf dem Weg, eine Pflicht zu erfüllen, die er nicht ausschlagen konnte, diese ganze verdammte Ehe musste eben warten, bis er für die Royal Four das Nötigste getan hatte.
Die Abenddämmerung war bereits hereingebrochen, als er und Willa ein Gasthaus erreichten. Sie waren einige Stunden unterwegs gewesen – zu wenige, wenn es allein nach Nathaniel gegangen wäre, aber er konnte nicht mehr von einer Frau erwarten, war sie auch noch so zäh.
Glücklicherweise war sie keine zarte Gewächshauspflanze. Sie hatte zwar keinen Augenblick ihrer Reise geschwiegen, aber Nathaniel musste ihr zugute halten, dass
nicht ein einziger ihrer Kommentare eine Beschwerde gewesen war.
Willa rutschte unbehaglich hin und her. Der Damensattel, den sie ritt, gehörte ihr nicht, und ihr Pferd war ihr fremd und neigte zu Nervosität. Immer wenn die Stute scheute, verlor Willa ihr prekäres Gleichgewicht.
Die Stute hatte sich schließlich etwas beruhigt, ihre Frechheit hatte sich während des langen Rittes über Land gelegt.
Willa wäre die Landschaft monoton vorgekommen, hätte sie sich nicht daran erfreut, dass sie gerade diese Hecke oder jenen außerordentlich konstruierten Steinwall noch niemals gesehen hatte.
Doch als der Abend dämmerte, war der Glanz des Neuen im selben Maße verblasst, wie die Bequemlichkeit ihres Sattels nachgelassen hatte.
Als dieser Idiot von einem Mann erklärte, es sei an der Zeit, für die Nacht Rast zu machen, war Willa stinksauer. Ein ganzer Tag war seit der Zeremonie vergangen – es fiel ihr immer noch schwer, sie als ihre Hochzeit zu betrachten -, und der Mann vor ihr hatte noch keinen einzigen vollständigen Satz zu ihr gesprochen.
Als die Bestie schließlich ihren Wallach zügelte, nachdem sie in eine bogenförmige Auffahrt abgebogen waren, die zu einem Gasthof führte, ließ sich Willa vom Pferderücken gleiten, sobald sie auch nur ihr Knie vom Sattelknopf lösen konnte.
Der Boden kam ihr viel zu schnell entgegen, und sie strauchelte. Ihre
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