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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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spüren oder ihre Schritte neben den seinen zu hören. Aber sie folgte ihm nicht.
    Er hob die Schultern. Und wenn schon , dachte er.

 
Kapitel 3
     
    Gewarnt sei der Reisende vor den Übertreibungen, zu denen viele seiner Weggefährten neigen. So könnten sie ihm glauben machen, das Volk von Frakknor bestünde nur aus Wegelagerern, Dieben und Halsabschneidern. Obwohl dies nicht stimmt, sei vom Besuch der Provinz Frakknor abgeraten, denn ihr schlechter Ruf hat die Einheimischen mürrisch und misstrauisch gemacht.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 2
     
    Es regnete die ganze Nacht. Erst am Morgen ließ das Plätschern des Wassers nach. Als das erste Tageslicht unter der Tür durchschimmerte, legte Ana das Schaffell beiseite, das ihr als Decke gedient hatte, und stand auf.
    Alle Gäste hatten unter Fellen und Decken in der Hütte übernachtet. Am Abend waren noch zwei alte Männer hinzugekommen, ehemalige Sklaven, denen ihr Herr die Freiheit geschenkt hatte und die ohne Zuhause und ohne Geld durch das Land zogen. Sie waren auf dem Weg zum Sklavenmarkt von Srzanizar, in der Hoffnung, dass sie dort jemand kaufen würde. Aus Mitleid hatte Guus, der Schmied, ihnen die Übernachtung in der Hütte bezahlt.
    Ana verließ die Hütte durch die offene Hintertür. Es war heller, als sie gedacht hatte. Sie blinzelte in den wolkenverhangenen Morgen und gähnte.
    »Eine Regentonne steht links von dir, falls du dich säubern möchtest«, sagte Ruta.
    Ana zuckte zusammen. Die Wirtin hatte hinter einigen der mannshohen Pflanzen auf dem Feld gestanden und war nicht zu sehen gewesen. Nun trat sie zwischen den langen Blättern hervor. In einer Hand hielt sie einen Korb mit roten Schoten, in der anderen ein langes Messer.
    »Für das Morgenmahl«, sagte sie. »Rotaugenschoten. Wer danach nicht aufwacht, ist tot.«
    Ana ließ das Messer nicht aus den Augen. Es war alt und verrostet. Die Spitze der Klinge war abgebrochen.
    »Hier in der Gegend«, fuhr die Wirtin fort, »legt man den frisch Verstorbenen Rotaugenschoten in den Mund, damit man sicher sein kann, dass sie auch wirklich tot sind. Hast du das gewusst?«
    »Nein.«
    »Wie auch, du bist ja nicht aus dieser Gegend.« Ruta rammte das Messer in einen Baumstumpf. Die Spannung wich von Ana.
    »Nein«, antwortete sie mit der Geschichte, die sie einstudiert hatte, »ich bin aus Ashanar. Der Mann, dem ich versprochen wurde, hat einen Hof in Gomeran. Ich bin auf dem Weg zu ihm. Eigentlich sollten meine Brüder mich begleiten, aber der Fürst hat sie gezwungen, Soldaten zu werden.«
    Die Wirtin stellte ihren Korb neben der Regentonne ab und begann die Schoten zu waschen. »Dann solltest du den Flussgöttern dafür danken, dass sie dich zu dieser Taverne und zu solch freundlichen Mitreisenden geführt haben. Es ist gefährlich hier im Süden, vor allem in letzter Zeit. Man weiß nie, wem man begegnet.«
    »Das habe ich gemerkt.« Ana nahm eine der fingerlangen Schoten aus dem Korb. Sie war erstaunlich schwer und verströmte einen beißenden Geruch, der zum Niesen reizte. »Da war so ein seltsamer Mann gestern im Wald.«
    Ruta sah sie von der Seite an. »Saß er auf einem kleinen Pferd und trug feine Kleidung?«
    »Nun, er …« Ana musste sich erst ins Gedächtnis zurückrufen, dass die schäbigen Klamotten, die der Alte getragen hatte, bei der elenden Landbevölkerung als »feine Kleidung« durchgingen. Doch bevor sie noch etwas sagen konnte, ergriff die Wirtin wieder das Wort.
    »Hast du mit ihm gesprochen?« Die Frage klang beiläufig, aber etwas Lauerndes schwang darin mit, das Ana aufhorchen ließ.
    »Nein«, sagte sie. »Das habe ich nicht.«
    »Kein Wort?«
    »Nein. Er hat mich nicht beachtet.«
    Die Wirtin nahm ihr die Schote aus der Hand. »Die Götter meinen es wirklich gut mit dir.«
    »Wieso, ist er gefährlich?«, fragte Ana. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Guus das Haus verließ. Er nickte ihr kurz zu, dann ging er zu den Bäumen am Rand des Feldes.
    »Nein … ja.« Ruta zögerte, suchte sichtlich nach den richtigen Worten. »Er sieht die Welt nicht wie wir. Du und ich sind nicht da für ihn, nur die, denen die Götter bereits ihr Totenmal auf die Stirn gezeichnet haben. Mit ihnen kann er sprechen. Das geht schon seit einigen Jahren so.«
    Ana hörte den Schmied pfeifen, während er sein Morgengeschäft verrichtete. »Heißt das, dass alle, mit denen er spricht, sterben müssen?« Ihr Mund war so trocken, dass sie die Frage kaum

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