Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
dem Fell des Pferdes zu trockenem braunen Staub geworden war, stieg er auf und ritt zurück zur Straße.
    Er zog das Hemd aus der Hose und wischte sich die Finger daran ab. Sie hinterließen dunkle Flecke. Seine nackten Füße hingen in der Luft. Er fühlte sich ungeschützt und nackt. Es widerstrebte ihm, bei Tag zu reisen, aber er kannte sich nicht gut genug aus, um sich nachts zu orientieren.
    Einige Mönche in dunklen Roben warfen ihm überraschte Blicke zu, als er aus dem Schilf auf die Straße ritt. Er hatte solche Roben in Gomeran gesehen. Wenn sie aus der Stadt stammten, wussten sie von ihm und hatten ihn vielleicht sogar gesehen.
    »Hast du Fische gefangen?«, fragte einer. »Die Götter würden es dir danken, wenn du sie mit uns teilst.«
    »Hab kein Glück gehabt«, sagte Gerit. Er nuschelte, um seinen Dialekt zu verbergen.
    »Die Götter sehen jede Lüge«, sagte der Mönch. Er hatte unangenehm stechende Augen und ein Doppelkinn.
    Gerit hob die Schultern. Sein Magen schien zu brennen. »Können sie ruhig.«
    Ein anderer Mönch schüttelte den Kopf. »Lass den Jungen in Ruhe. Der hat doch selbst nichts.«
    Sie gingen weiter, ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen. Zwei Pelzhändler, die neben einem Ochsenkarren hergingen, folgten ihnen. Ihre Blicke schienen durch Gerit hindurchzugehen.
    Das Brennen in seinem Magen verschwand. Seine Mundwinkel zuckten, aber er neigte den Kopf, damit niemand, der ihm entgegenkam, sein Grinsen bemerkte. Er brauchte die Nacht nicht mehr. Dreck und Armut ließen ihn mit den Schatten verschmelzen, so wie es die Dunkelheit getan hätte.
    Noch einmal sah er nach Süden, dann wendete er sein Pferd und ritt nach Norden, Somerstorm entgegen.

 
Kapitel 16
     
    In Srzanizar gibt es viele seltsame Bräuche. So gilt es unter den Dieben der Stadt als ehrlos, ein Boot zu stehlen. Das Entwenden von Rudern, Segeln und sogar Sitzbänken betrachtet man hingegen als akzeptabel und ehrenvoll.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 2
     
    Die Sonne war längst hinter dem Fluss versunken, die Zwillingsmonde standen am Himmel. Es war eine helle Nacht, deshalb rieben die Frauen ihre Rüstungen mit Asche ein.
    Sie hatten sich auf dem Platz vor den Ställen versammelt. Marta stand etwas abseits, die Arme vor der Brust verschränkt, die Mundwinkel herabgezogen. Bis zum Abend hatte sie Verbandszeug zurechtgeschnitten und Kräuter aufgekocht. Purro hatte sie angeleitet. Er hockte vor der Mauer am Boden und sah den Frauen zu. Er trug keine Rüstung.
    Ana stützte ihre Ellenbogen auf das Holzgeländer vor Erys' Quartier. »Kämpft er nicht mit?«, fragte sie, ohne sich nach der älteren Frau umzudrehen.
    »Nein«, sagte Erys und trat neben sie. »Er kämpft nicht.«
    »Nie?«
    »Nie.« Sie hob die Schultern. »Er hat seine Gründe.«
    Unten vor dem Stall schlangen sich Frauen Armbrüste über die Schultern und zogen Westen an, in deren Schlaufen helle Bolzen wie Rippen steckten. Sie trugen Schwerter in den Scheiden ihrer Waffengurte und Dolche in den Stiefeln.
    »Wir sind bereit«, rief eine der Frauen.
    Erys wandte sich Ana zu und reichte ihr eines der Tücher, unter denen die Todesmasken ihre Gesichter bei Raubzügen verbargen. »Du wirst mit uns kommen. Wir können dich nicht beschützen, wenn du hier zurückbleibst. Mach nicht den Fehler, kämpfen zu wollen. Halte dich im Hintergrund. Aber es gibt etwas, das du tun kannst.«
    Ana nahm das Tuch entgegen und band es sich um den Hals, so locker, dass sie es vors Gesicht ziehen konnte. »Sag mir, was.«
    »Segne uns.«
    Ana starrte sie an. Sie konnte nicht erkennen, welche Gefühle sich hinter Erys' Stirn verbargen, aber sie wirkte sehr ernst.
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte sie.
    »Dein Vater hat doch bestimmt die Soldaten gesegnet, die er auf die Pässe geschickt hat.« Erys sprach leise. Aus den Augenwinkeln bemerkte Ana, dass man sie vom Hof aus neugierig ansah. »Sie haben für ihn gekämpft, und wir kämpfen für dich – also segne uns.«
    Es war keine Bitte.
    Ana nickte.
    Gemeinsam mit Erys ging sie die Treppe hinunter. Sie hatte als Kind oft auf dem Burghof gespielt, wenn ihr Vater die neuen Rekruten gesegnet hatte. Es war eine lange Zeremonie gewesen, bei denen Priester Glocken geläutet und Lieder rezitiert hatten. Ihr Vater hatte die Segnung gehasst, sich aber der Tradition nie widersetzt. Traditionen , hatte er einmal auf Anas Frage geantwortet, sind der Faden, der Vergangenheit und Zukunft

Weitere Kostenlose Bücher